Das Nachrichtenportal für TGA-, HLK- und Sanitär-Experten
Energiepolitik, Energieforschung, BMWi

Die Förderung der Energieforschung durch die Bundesregierung ist ein entscheidender Erfolgsfaktor für die Energiewende. Wo die Bundesregierung hier ganz konkret ansetzt und wie sie ihre Ziele erreichen will, beantwortet Thorsten Herdan, Leiter der Abteilung „Energiepolitik – Wärme und Effizienz“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) im Interview mit der GI-Redaktion.

Forschung und Technologieentwicklung sind wichtige Grundsteine für eine erfolgreiche Gestaltung der Energiewende. Das Entwickeln neuer Energietechnologien, die gleichermaßen wettbewerbsfähig, effizient und umweltfreundlich sind, ist einer der Schlüssel, um die ehrgeizigen Klimaschutzziele der Bundesregierung zu erreichen. Bis 2050 soll ein ökonomisch und ökologisch nachhaltiges und verlässliches Energiesystem entstehen. Hierfür soll durch mehr Energieeffizienz der Primärenergieverbrauch halbiert werden und der Anteil erneuerbarer Energie am Bruttoendenergieverbrauch auf 60 Prozent steigen. Die Förderung der Energieforschung durch die Bundesregierung ist hierfür ein entscheidender Erfolgsfaktor. Wo die Bundesregierung ganz konkret ansetzt und wie sie ihre Ziele erreichen will, beantwortet Thorsten Herdan, Leiter der Abteilung „Energiepolitik – Wärme und Effizienz“ des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWi) im GI-Interview (Ausgabe 6/16).


GI: Welche Hauptaufgaben sehen Sie für die Energieforschung in den nächsten fünf bzw. in den nächsten 15 Jahren?

Thomas Herdan: Mit der Energiewende hat sich die Bundesregierung ehrgeizige Ziele zur Neugestaltung der Energieversorgung auf Basis höchster Effizienz und erneuerbarer Energien gesetzt. Die Frage ist: Wie können wir diese Ziele erreichen und gleichzeitig sicherstellen, dass Energie für Unternehmen und Privatverbraucher bezahlbar und unsere hohe Versorgungssicherheit erhalten bleiben? Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle. Eine entscheidende Voraussetzung sind auch technologische Innovationen. Deshalb ist die Energieforschung eines der wichtigsten strategischen Elemente unserer Energie- und Wirtschaftspolitik. Entscheidend sind dabei verlässliche Rahmenbedingungen, um die hohe Kontinuität bei Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen sicherzustellen. Mit unserem Energieforschungsprogramm leisten wir einen wichtigen Beitrag.

Immer wichtiger wird die Frage, wie das Gesamtsystem mit den gegenseitigen Abhängigkeiten der Einzelkomponenten optimal, zuverlässig und kosteneffizient gestaltet werden kann. Hier stellt sich beispielsweise die Frage: Wie kann Strom effizient transportiert, gespeichert und sinnvoll in anderen Sektoren eingesetzt werden? Oder: Kann die Digitalisierung im Gebäudebestand einen Beitrag zur Netzstabilität leisten? Abhängig von neuen wissenschaftlichen und technologischen Erkenntnissen aber auch mit Blick auf energiepolitische Entwicklungen sind Förderprogramme inhaltlich und strukturell kontinuierlichen Anpassungsprozessen unterworfen. Deshalb haben wir im BMWi bereits mit Vorarbeiten zu einem neuen Energieforschungsprogramm begonnen.

"Bei den Erneuerbaren fokussieren wir uns ganz klar auf die Zugpferde der Energiewende Windenergie und Photovoltaik"

- Thomas Herdan


Gibt es besondere Forschungsschwerpunkte, die vom BMWi priorisiert werden?

Die Energiewende basiert auf den beiden Säulen Energieeffizienz und erneuerbare Energien. Die Steigerung der Energieeffizienz und die Entwicklung bzw. die Integration der erneuerbaren Erzeugungstechnologien sind dementsprechend unsere prioritären Forschungsschwerpunkte.  Bisher lag der Fokus der Aufmerksamkeit oft nur auf der einen Säule, den erneuerbaren Energien. Das wollen wir ändern. Durch unsere Kampagne „Deutschland macht´s effizient“ wollen wir die Bedeutung der zweiten Säule, der Energieeffizienz, unterstrichen. Das Motto heißt „Efficiency first“ und spiegelt sich konsequenterweise auch in der Ausrichtung unserer Forschungsförderung wieder.

Bei den Effizienzthemen steht die Reduzierung des Primärenergiebedarfs in Gebäuden und Quartieren ganz vorne auf der Agenda, gefolgt von Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz bei industriellen Prozessen.  Bei den Erneuerbaren fokussieren wir uns ganz klar auf die Zugpferde der Energiewende Windenergie und Photovoltaik. Zum Ausgleich der hohen volatilen Erzeugung sind Speicher und intelligente Netze nicht wegzudenken. Auch werden Technologien zur Sektorkopplung immer bedeutender. Die Digitalisierung der Energiewende ist schließlich ein wichtiges Querschnittthema, welches über alle Forschungsschwerpunkte hinweg mit adressiert werden kann.


Welche Rolle sollte die Industrie bei der Energieforschung in der Zukunft spielen? Können Sie sich eine stärkere Vernetzung von öffentlicher Förderung und Industrieengagement vorstellen?

Industrie, kleine und mittlere Betriebe und Dienstleistungsunternehmen spielen eine entscheidende Rolle, da es deren Aufgabe ist, neue Technologien nach einer erfolgreichen Entwicklungsphase zu etablieren. Die Vernetzung der öffentlichen Förderung mit dem Engagement der Industrie findet in der Forschungsförderung in Form von sogenannten „Verbundprojekten“ statt. Um auch kleinere Unternehmen ohne Forschungserfahrung zu adressieren, haben wir in Kooperation mit der Industriellen Gemeinschaftsforschung des BMWi eine neue Forschungsallianz Energiewende in der AiF auf den Weg gebracht. Erste Forschungsprojekte sollen noch in diesem Jahr starten.

Der Beitrag der forschenden Industrien ist uns auch bei der Erstellung der Förderstrategien sehr wichtig. Wir wollen die erfolgreiche Zusammenarbeit intensivieren und weiter ausbauen. Deswegen haben wir die Forschungsnetzwerke Energie gegründet. Als offene Expertennetzwerke mit Beteiligung von zahlreichen Partnern aus der Praxis wirken sie als Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Politik. Die Forschungsnetzwerke leisten einen wichtigen Beitrag zu mehr Transparenz in der Forschungsförderung, laden zum Dialog ein und befördern die Weiterentwicklung der Energieforschungspolitik. Herausragendes Beispiel ist die Förderinitiative „Solares Bauen/Energieeffiziente Stadt“, die auf Basis von Expertenempfehlungen des Forschungsnetzwerks Energie in Gebäuden und Quartieren entwickelt wurde. Das ist aus meiner Sicht auch der Grund für die sehr große Resonanz auf diese Forschungsinitiative.


Um Transformationsprozesse von Energiesystemen aktuell und zukünftig bewerten zu können, spielen numerische Simulationsverfahren eine sehr große Rolle. Das BMWi hat in den vergangenen Jahren hier vielfältige Aktivitäten unterstützt. Wie schätzen Sie den Stand der Entwicklung in diesem Bereich ein?

Die zunehmende Vernetzung, Dezentralisierung und Komplexität des Energiesystems vergrößern in der Tat den Bedarf an leistungsfähigen numerischen Simulationsverfahren. Leistungsfähig heißt dabei, dass Simulationsergebnisse belastbar und interpretierbar sind. Durch die reine Vergrößerung von Datenmengen und Rechengeschwindigkeiten ist dies natürlich nicht zu erreichen. Darum fördern wir die Entwicklung und Erprobung neuer interdisziplinärer Methoden mit sektorenübergreifenden Ansätzen. Von der Simulation und Optimierung von Regelungstechnik in der Gebäudeautomation, bis hin zu systemanalytischen Modellierungen des Gesamtenergiesystems gibt es vielfältige Ansätze für innovative Forschungsprojekte.

"Digitalisierung spielt im künftigen Energiesystem eine entscheidende Rolle"


In benachbarten Fachdisziplinen, wie z.B. der Automobilindustrie, gibt es ein Schwerpunktprogramm zur Informationsvernetzung und Etablierung von Kommunikationsstrukturen (5G für den Automobilsektor). Benötigen wir für den Energiesektor nicht auch eine derartige Offensive, um die zukünftig dezentral ausgerichtete Energieversorgung überhaupt sinnvoll managen zu können?

Das Energiesystem der Zukunft wird sich in seiner Komplexität erheblich von der heutigen Energieversorgungsstruktur unterscheiden. Die dezentrale Ausrichtung ist dabei ein Aspekt, die Sektorkopplung ein weiteres Beispiel. Langfristig benötigen wir eine übergeordnete Informations- und Kommunikationsstruktur, um die gleiche oder sogar eine bessere Sicherheit und Zuverlässigkeit des Gesamtenergiesystems gewährleisten zu können.  Die Digitalisierung spielt im künftigen Energiesystem also eine entscheidende Rolle. Mit dem Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende haben wir frühzeitig wichtige Weichen gestellt.

Doch auch bei den Förderprojekten ist die Digitalisierung längst ein wichtiger Bestandteil. Und in Zukunft wird das Thema einen noch größeren Stellenwert einnehmen. So sind zukunftsweisende Informations- und Kommunikationstechnologien sowie die Digitalisierung der Energiewende im Gebäudebereich beispielsweise in der erwähnten Förderinitiative „Solares Bauen/Energieeffiziente Stadt“ zentral adressiert. Mit Hilfe der Energieforschung schaffen wir letztendlich die Voraussetzungen dafür, dass die entsprechenden Technologien für den künftigen Einsatz vorhanden sind.


Energieforschung und Klimaschutz stehen in einem engen Zusammenhang. Sollten – angesichts der wieder stärkeren politischen Fokussierung auf der Klimaschutz – mehr Mittel für die Energieforschung bereitgestellt werden, oder sind wir hier schon gut aufgestellt?

In den Anfängen der staatlich geförderten Energieforschung stand die Reduzierung der Abhängigkeit von sich verknappenden fossilen Energieträgern ganz im Vordergrund der Bemühungen. Das war im Wesentlichen der Inhalt des ersten umfassenden Energieforschungsprogramms aus dem Jahr 1977. Inzwischen, fast 40 Jahre später, verfolgt die Energieforschungspolitik ein Zieldreieck: Der Beitrag zur Erreichung der energie- und klimapolitischen Vorgaben hat eine zentrale Bedeutung. Genauso wichtig sind aber auch industriepolitische Aspekte, wie die Stärkung des Exports klimaschonender Energietechnologien und die gesamtgesellschaftliche Risikovorsorge in Form von Sicherung und Erweiterung von technologischen Optionen für die Zukunft.

Klimaschutz ist damit ein zentrales Element der Energieforschung geworden. Die internationalen Klimaschutzanstrengungen manifestieren sich beispielsweise in dem kürzlich erzielten Abkommen von Paris. Das Ziel die globale Erwärmung auf maximal 2 °C zu beschränken, limitiert die Nutzung fossiler Energieträger viel stärker als die Verknappung der Ressourcen. Diese geänderten Rahmenbedingungen spiegeln sich auch in der strategischen Ausrichtung der Forschungsförderung wieder. Die Mittel für Energieforschung in den Bereichen Erneuerbare Energien und Energieeffizienz wurden in den letzten Jahren kontinuierlich erhöht. Im Vergleich zum Jahr 2008 sogar mehr als verdoppelt. Damit verfügt Deutschland bei der finanziellen Ausstattung der Energieforschung im europäischen aber auch internationalen Vergleich über hervorragende Rahmenbedingungen.

Vielen Dank, Herr Herdan.

0
0
0
s2smodern