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Fachbeitrag: Wie Grün- und Wasserflächen städtische Hitzestaus reduzieren

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Städteplaner sehen sich zunehmend mit sogenannten Hitzestaus im urbanen Raum konfrontiert. Die Ursachen dafür sind mannigfaltig, die Lösungen dagegen könnten nach Ansicht vieler Experten mehr Grün- und Wasserflächen sein. Wie effektiv reduzieren diese die Hitzestaus in Städten wirklich?

Einleitung

In den Klimaanpassungsstrategien der Bundesländer und der Bundesregierung wird auch die gesundheitsschädliche Wirkung von Hitze-Hotspots in den urbanen Zentren hervorgehoben. Die Klimaprojektionen laufen darauf hinaus, dass die Zahl von Extremsommern zunehmen wird und dass damit auch der Hitzestress in den Städten zunehmen könnte. Zur Reduzierung des Hitzestaus wird empfohlen, mehr Grün und mehr Wasser in die Stadt zu holen. Wasserflächen, Fassadenbegrünung, Gründächer, mehr und größere Parkanlagen werden in den Klimaanpassungsstrategien als probates Mittel angesehen, um mehr Verdunstungskühle in die Städte zu bringen. In diesem Fachbeitrag aus der GI 2/17 versucht Xander Wilhelm anhand einer Literatur-Auswertung, zu klären, ob die vorgeschlagenen Maßnahmen tatsächlich einen relevanten Beitrag zur Reduzierung von Hitzestaus leisten können und von welchen Randbedingungen mögliche Effekte abhängen.

1. Hitzestress in Städten

Vom Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur sind Städte besonders stark betroffen [1]. Aufgrund der Struktur und der Materialien städtischer Räume entstehen urbane Hitze-Inseln. Sie weisen im Vergleich zum ländlichen Umland eine erhöhte Temperatur auf, was im Winter einen geringeren Heizbedarf und im Sommer einen erhöhten Kühlungsbedarf zur Folge hat. Dieser „urban heat island effect“ (UHI) ist am stärksten in den Abendstunden ausgeprägt, wenn die über den Tag in Form von kurzwelliger Sonnenstrahlung absorbierte Energie als Wärmestrahlung wieder abgegeben wird [2]. Dunklere Oberflächen, die hohe Wärmekapazität der Objekte, eine große Anzahl an Oberflächen, Feinstaubemissionen, welche die Wärmeausstrahlung zurückhalten, geringere Vegetation und reduzierte Windgeschwindigkeiten, sind hierfür verantwortlich [3]. Neben diesem Unterschied zwischen Stadt und Land existieren auch Unterschiede innerhalb einer Stadt, welche aus der spezifischen lokalen Zusammensetzung des jeweiligen Stadtteils resultieren.

Effekt der städtischen Wärmeinsel

Die globale Erwärmung durch den anthropogenen Treibhauseffekt sorgt nicht für eine gleichmäßige Erhöhung der Temperaturverläufe. Neben einer allgemeinen Erhöhung der globalen Oberflächentemperatur um 1,1 - 6,4 °C im Laufe dieses Jahrhunderts, je nach Szenario, werden Hitzewellen und heiße Wetterextreme zunehmen [3]. Die prognostizierten Klimaveränderungen fallen regional sehr unterschiedlich aus. Die europäischen Winter werden insgesamt wärmer und feuchter, die Sommer heißer und trockener. Hinzu kommt, dass an weniger Tagen im Jahr immer mehr Regen fällt. Vermehrte Starkregenereignisse und mehr Trockenperioden prägen das zukünftige Klima.

Der Effekt der städtischen Wärmeinsel muss auf die jeweilige regionale Prognose hinzugerechnet werden. Dies ist besonders vor dem Hintergrund zu beachten, dass die meisten Menschen in städtischen Gebieten leben und in Zukunft immer mehr Menschen dort leben werden. Somit kommt zu der generellen Zunahme von Hitzewellen auch eine zunehmende Anzahl von Menschen, die von den Folgen betroffen sind. Das Resultat sind konkrete gesundheitliche Folgen. So starben in Frankreich im Sommer 2003 in Folge der Hitzewelle 15.000 Menschen zusätzlich [1].

Aufgrund der drastischen Entwicklung der Klimaveränderung sind Anpassungen der Städte zeitnah notwendig, um deren Vulnerabilität möglichst gering zu halten. Dabei geht es darum, die Struktur und Zusammensetzung einer Stadt dahingehend zu verändern, dass sich der Wärmeinsel-Effekt reduziert, die Funktionalität der Stadt unter veränderten Klimabedingungen so weit wie möglich nicht beeinträchtigt wird und die sozialen und ökologischen Belastungen minimiert werden. Als eine mögliche Klimaanpassungsstrategie wird der Ausbau der Grün- und Wasserflächen in der Stadt diskutiert und angewendet. Aufgrund ihrer kühlenden Wirkung werden Bäume, Gewässer und insbesondere Gründächer als eine vielversprechende Lösung gesehen. Dabei stellt sich die Frage, in welchem Maße diese Maßnahmen die Temperatur tatsächlich reduzieren können und in welchem Umfang ein Ausbau effektiv einen Beitrag zu einer Klimaanpassung leisten kann.


 

2. Städtisches Grün und Wasser

2.1 Stadtklimatische Effekte von Pflanzen

Die Energiebilanz der städtischen Flächen kann durch die Menge, Art und Struktur von Pflanzen direkt an mehreren Stellen, hinsichtlich der Absorption, Speicherung und des Transfers von Energie, modifiziert werden. Die entscheidenden Mechanismen sind dabei Beschattung, Reflexion und Evapotranspiration [4]. Vegetation verhindert, dass ein bestimmter Teil der direkten kurzwelligen Sonnenstrahlen auf den Boden trifft, der damit weniger Energie aufnimmt und die darüber liegende Luft geringer aufheizt. Schatten spielt daneben vor allem eine zentrale Rolle beim Schutz der Bevölkerung vor direkter Sonneneinstrahlung, welche wesentlich für das Empfinden von Hitzebelastungen ist. Zusätzlich können Pflanzen, welche Fensterflächen ganz oder teilweise beschatten, den hausinternen Treibhauseffekt reduzieren und somit zu einem geringeren Energiebedarf für die aktive Kühlung der Gebäude beitragen.

Maßgeblich zur Kühlung tragen die Transpiration, bei der Wasser aus der Pflanze verdunstet wird, und die Evaporation, mit der die Verdunstung von Wasser vom Boden und außerhalb der Pflanze, sowie von Wasserflächen gemeint ist, bei. Zusammengefasst spricht man von der Evapotranspiration als der gesamten Menge an Wasser, die über einer begrünten Fläche verdunstet wird. Da ein Teil der kurzwelligen Sonnenstrahlung zur Verdampfung von Wasser genutzt und nicht in Wärmestrahlung umgewandelt wird, sind begrünte Flächen kühler als beispielweise Asphaltflächen [2].

Langwellige Wärmestrahlung wird von blattreichen Pflanzen reflektiert, sodass diese sich weniger vom anthropogenen Wärmeeintrag beispielweise aus dem Straßenverkehr aufheizen. Aufgrund der geringen Wärmekapazität von Blättern wird wenig Energie aus der Sonnenstrahlung gespeichert. Vor allem in den Abendstunden macht sich das bemerkbar, wenn die Pflanzen schneller auskühlen als die städtische Umgebung. Pflanzen können in der Stadt in Form von Parks, Gärten, Grünstreifen, einzelnen Bäumen und Alleen, aber auch als Fassaden- und Dachbegrünungen (siehe Bild 2) vorkommen.

Dachbegruenung

Bild 2: Der Kühleffekt von Dachbegrünungen – wie hier in Freiburg – kommt unten im Fußgängerbereich kaum noch an. Der Kühleffekt des Baumbestandes ist im Fußgängerbereich deutlich größer. (Foto: Nikolaus Geiler)

Zusammen können diese die durchschnittliche Temperatur einer Stadt senken, wenn sie auch im Einzelnen sehr unterschiedlich dazu beitragen: Messungen in Kalifornien und Portland (USA) konnten zeigen, dass die Tagestemperatur der Luft unter ausgewachsenen Bäumen 1,7 - 3,3 °C geringer ist, sodass der Unterschied zwischen warmen und heißen Gebieten maßgeblich vom Baumbedeckungsgrad abhängt [4]. Bäume bieten viel Schatten und können im Vergleich zu kleineren Pflanzen durch tiefe Wurzeln eine hohe Transpirationsleistung bieten, auch wenn die oberen Bodenschichten nur noch eine geringe Feuchte aufweisen.

Für die Stadt Nürnberg wurde am Beispiel einer Straße untersucht, welche Rolle die Straßenseite, bzw. die Ausrichtung zum Sonnenverlauf, für den Kühleffekt hat [5]. Das Ergebnis war, dass der thermische Effekt von Bäumen stärker ist, wenn sie der direkten Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind als wenn sie im Schatten stehen. Wenn Bäume weit auseinander stehen, scheint die kühlende Wirkung gering zu sein, doch in der Summe haben sie einen großen Einfluss. Ein einzelner Baum kann an einem sonnigen Tag eine Kühlleistung von 20 - 30 kW (etwa zehn Klimaanlagen) aufweisen [3]. Der Abstand, sowie der Kronendurchmesser sind aber entscheidend für die Beschattung und damit für die Hitzestressreduzierung durch direkte Sonneneinstrahlung auf den Menschen.

Einfluss von Parks auf die Lufttemperatur

Einen großen Beitrag zur Reduzierung der Lufttemperatur können Parks leisten. Sie haben eine sehr viel geringere Oberflächen- und Lufttemperatur, was sich zudem auf die angrenzenden Bereiche auswirkt. Die Kühlwirkung nimmt mit der Entfernung sehr viel geringer ab, abhängig von der Größe und Struktur des Parks. In Göteborg (Schweden) befindet sich ein Park mit 156 ha Größe, dessen Effekt über einen Kilometer gemessen wurde [3]. Je geringer die Kühlwirkung einer Grünfläche ist, desto enger beieinander müssen diese geplant werden. Die Struktur von Grünflächen ist jedoch entscheidend für den Einfluss auf die Lufttemperatur. Je mehr Bäume und Sträucher auf der jeweiligen Grünfläche wachsen, desto größer ist der Temperaturunterschied.

Grasflächen haben einen sehr viel schlechteren Effekt [6]. Es macht Sinn mehrere kleine Flächen zu schaffen, die eine hohe Kühlleistung aufweisen, als große Flächen mit wenigen oder gar keinen Bäumen. Interessant ist, dass Grünflächen vor allem dann am meisten Temperaturunterschied zur städtischen Umwelt aufweisen, wenn die klimatischen Bedingungen einer Hitzewelle herrschen [7]. Die Luft kühlt umso stärker ab, je länger sie in einem Park verweilt, sodass bei wenig Wind und heißer Umgebung der Effekt am stärksten ist.

Begrünte Dächer

Begrünte Dächer stellen vor allem deshalb eine gute Lösung dar, weil sie kaum mit anderen Nutzungsinteressen kollidieren. Bestehende Dächer lassen sich in Gründächer umwandeln, ohne dabei mit anderen Gebäuden um Grundfläche konkurrieren zu müssen. Weil Dachflächen einen großen Teil der städtischen Fläche ausmachen, auf der Sonneneinstrahlung umgesetzt wird, besteht hier eine gute Möglichkeit in die Energiebilanz einer Stadt einzugreifen. Sie isolieren die Gebäude und kühlen die darüber liegende Luft. Ein Nachteil von Dachbegrünung gegenüber Bäumen oder Parks ist deren Entfernung zum Boden. Je höher das Gebäude, desto niedriger ist der Effekt auf eine Verminderung der Temperatur im Fußgängerbereich [8]. In einer Studie in Arnheim (Niederlande) wurde der Effekt von Gründächern auf die Lufttemperatur einer Straße untersucht. Ausgehend von einer Hitzewelle, wie im Jahr 2003, und einem Anteil von 25 % Dachflächenbegrünung entlang der Straße, konnte in Bodenhöhe kein Effekt erzielt werden, da der Wind die kühlere Luft abtransportiert, bevor sie den Boden erreichen kann [9].

Die Vorteile von Dachbegrünungen liegen in der Isolierung, dem Beitrag zur Biodiversität, Staubbindung und der Wasserrückhaltung, aber deutlich weniger in der Hitzevorsorge [10]. Die wenigen Untersuchungen, welche sich mit dem großskaligen Kühleffekt von Dachbegrünung auf städtischer Ebene befassen, legen nahe, dass die Effizienz, in dem Fall das Verhältnis von begrünter Fläche zu reduzierter Lufttemperatur, sehr gering ist. So errechnet eine Studie für Toronto (Kanada) durch die Begrünung von 50 km2 Dachfläche eine Reduzierung der Luft- temperatur von 0,5 - 2 °C, eine andere Studie für Baltimore (USA) kommt zu dem Ergebnis, 90% der Dachflächen bepflanzen zu müssen, um die tägliche Höchsttemperatur einer 3-Tages-Hitzewelle um 0,5 °C reduzieren zu können [9].

Zusätzlich ist die Leistung von Gründächern extrem abhängig von der Verfügbarkeit von Wasser und der Art der Dachbegrünung. Je weniger Wasser die Pflanzen zum Verdunsten zur Verfügung haben, desto schlechter fällt die kühlende Leistung aus. Für Klimazonen mit wenig Sommerregen und starker Sonneneinstrahlung können sich Gründächer, aufgrund ihrer extrem schlechten Albedo in trockenem Zustand, sogar negativ auswirken. In diesen Klimazonen stellen „cool roofs“ (beispielsweise geweißte oder verspiegelte Dachflächen) die bessere Wahl dar, weil die Reflexionsleistung nicht auf Wasser angewiesen ist, während in gemäßigten Breiten Gründächer zu befürworten sind [8].

Eine aktive Bewässerung kann sicherstellen, dass die Verdunstung ausreichend stattfindet. Eine vielversprechende Möglichkeit ist es, Regenwasser in Zisternen aufzufangen und damit die Dächer kontinuierlich zu wässern oder Dachbegrünungssysteme anzuwenden, die ausreichend Wasser speichern. Beides hat den Vorteil, mit einer Dachbegrünung gleich zwei Folgen des Klimawandels zu begegnen. Einerseits der angesprochene Kühl- und Isolationseffekt und andererseits die Rückhaltung von Regenwasser bei Starkregenereignissen. Gründächer werden deshalb vor allem in Form von integrierten Klimaanpassungsstrategien und als Bestandteil des dezentralen Hochwasserschutzes umgesetzt.

2.2 Kühleffekte durch Wasser

Wasserflächen, fließende Gewässer und Brunnen haben einen kühlenden Effekt auf das städtische Klima. Ähnlich wie Pflanzen modifizieren sie stadtklimatische Energieflüsse, welche in der Summe zu einer geringeren Lufttemperatur führen können. Die Temperatur ober- und unterhalb der Wasseroberfläche unterscheidet sich von den umgebenden Straßen und Gebäuden. Dabei kann das Wasser selbst eine 2 - 6 °C niedrigere Temperatur annehmen [11]. Die darüber liegende Luft wird durch Evaporation gekühlt, wobei Sonnenenergie in latente Wärme umgewandelt und Wasserdampf an die Luft abgegeben wird. Abhängig von den lokalen Windverhältnissen reduziert sich somit die Lufttemperatur auch im Umkreis. So kann beispielsweise für einen kleinen Teich mit 4x4 Metern die Temperatur in 30 Meter Entfernung 1 °C kälter, auf der Leeseite eines Brunnens sogar 3 °C kälter sein [3]. Weil die Abkühlung mit der Evaporation zunimmt, können Brunnen und andere Installationen in denen Wasser zerstäubt wird, einen Beitrag zur Reduzierung der Hitzebelastung für die Bevölkerung leisten.

Ein weiterer Teil der Sonneneinstrahlung wird reflektiert. Vor allem aber besitzt Wasser eine hohe Wärmekapazität, sodass auftreffende Strahlungsenergie in großen Mengen gespeichert wird. Fließende Gewässer transportieren die Energie aus der Stadt, sodass die Energie im Vergleich zu stehenden Wasserflächen nicht mehr in die urbane Umgebung abgegeben wird. Bei stehenden Gewässern kommt es zudem zu einer Rückerwärmung der Umgebung vor allem in den frühen Morgenstunden, wenn die Lufttemperatur kühler als die Wasseroberfläche ist. Gerade nachts, wenn der Wärmeinsel-Effekt am stärksten ist, und vor allem in den späten Sommermonaten fehlt somit der Kühleffekt von aufgeheizten stehenden Gewässern [11]. Dem positiven kühlenden Effekt, der dann am stärksten ist, wenn über den Tag unter Sonneneinstrahlung Evaporation stattfindet, steht damit ein negativer Effekt während der Nacht gegenüber.

Oberflächen-, Baum- und Wassergestaltung

Die Ausprägung des städtischen Klimas an einem konkreten Platz zu bestimmten Jahres- und Tageszeiten ergibt sich, neben der Ausstattung hinsichtlich von Grün- und Wasserflächen, vor allem aus der baulichen Struktur. So müssen planerische Umgestaltungen immer alle klimatisch relevanten Aspekte mit einbeziehen und für den konkreten Stadtbereich ermitteln. Eine ausführliche Untersuchung über die klimatischen Auswirkungen durch eine Umgestaltung eines Platzes hinsichtlich der Oberflächen-, Baum- und Wassergestaltung existiert für den Platz der Alten Synagoge in Freiburg [12]. Die Maßnahmen beinhalten das Pflastern des gesamten Platzes mit hellen Granitplatten, das Reduzieren der Baumanzahl und das Ersetzen von Bäumen durch jüngere und kleinere Bäume, sowie die Installation eines Wasserspiegels in der Größe der Grundfläche der Alten Synagoge.

Dabei stellte sich heraus, dass sich nach dem geplanten Umbau das lokale Kima verändern wird: Die größte Veränderung ist ein stärkeres Aufheizen des Zentrums des Platzes im Sommer, was auf die Reduzierung der Bäume zurückzuführen ist. Die Wasserfläche soll dagegen keinen Effekt auf die Lufttemperatur des Platzes haben [12]. Hier wird deutlich, welches Gewicht Beschattung und Transpiration durch Bäume für das städtische Klima gegenüber stehenden Wasserflächen haben.

Um die Verdunstung von Wasser zu steigern, bietet es sich an, Wasserpflanzen mit hoher Transpirationsleistung einzusetzen. Auch hier ist eine Kombination verschiedener Klimaanpassungsmaßnahmen denkbar. Anstatt Regenwasser in die zentrale Kanalisation abzuführen, können lokale dauerfeuchte Vegetationsflächen und Gewässer mit schwimmenden Vegetationsflächen geschaffen werden. Ein Beispiel ist die 50er-Jahre Siedlung Bausemshorst in Essen-Altenessen, wo nach einem Umbau das Regenwasser in flachen Mulden und Rigolen versickert und darüber hinaus noch durch ein bepflanztes Wasserbecken geleitet wird [10].


 

3. Aktuelle Projekte und politische Maßnahmen

Angesichts der dramatischen Klimaprognosen für die kommenden Jahrzehnte sind Anpassungsmaßnahmen dabei, ein zentrales Thema für die Städteplanung zu werden. Dabei begegnen Politiker der Problematik laut vielen Wissenschaftlern nicht schnell genug und nicht entsprechend der Geschwindigkeit des Klimawandels [9]. Obwohl viele Akteure Handlungsbedarf sehen, stehen den konkreten Projekten oft Hindernisse auf verschiedenen administrativen Ebenen entgegen, was unter anderem auch daran liegt, dass in Deutschland Klimaanpassung bis jetzt noch keine Pflichtaufgabe war [10]. Klimaanpassungsmaßnahmen im Bereich Stadtgrün und -Wasser umzusetzen, betrifft in erster Linie die kommunale Ebene. Regelungen in diesem Bereich existieren im jeweiligen Landesrecht und in Städte- und Gemeindeverfassungen [13].

Selbst wenn das politische Ziel, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf unter 2 ° C zu begrenzen, erreicht würde, ist mit erheblichen Auswirkungen der bereits stattgefundenen Erwärmung zu rechnen. Mit dieser Begründung beschloss beispielweise das Bundeskabinett 2008 die Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel [14]. Darin geht es vor allem darum, eine gemeinsame Wissensbasis über die lokalen Auswirkungen, Gefahren und Risiken zu schaffen und Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. In dem 2011 folgenden Aktionsplan (APA I) wird städtisches Grün zur Verminderung der Auswirkungen von Starkregen und Hitzewellen genannt. Aktuell läuft das Förderprogramm von Maßnahmen zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels des Bundesumweltministeriums, womit Anpassungskonzepte von Unternehmen, die Entwicklung von Bildungsmodulen zu Klimawandel & Klimaanpassung und kommunale Leuchtturmvorhaben sowie der Aufbau von lokalen und regionalen Kooperationen gefördert werden [15].

Entwicklung einer Gründachstrategie

Zur Adaption an die Folgen der Klimaveränderung setzt die erste deutsche Großstadt Hamburg auf die Begrünung von städtischen Dachflächen. Der Fokus liegt hierbei primär auf der Regenwasserrückhaltung und nicht auf stadtklimatischen Gründen. Seit September 2014 bis Juni 2017 läuft das Projekt Entwicklung einer Gründachstrategie, Prozessmanagement und Implementierung eines strategischen Konzepts [16]. Die Strategie besteht aus den drei Handlungsschwerpunkten Fördern, Fordern und Dialog. Grundstückseigentümer können ab sofort Zuschüsse für den Bau von Gründächern beziehen. Die Behörde für Umwelt und Energie (BUE) stellt bis 2019 ein Förderprogramm mit einem Volumen von drei Millionen Euro zur Verfügung. Darüber hinaus können Gründachbesitzer indirekt von der Splittung in Schmutz- und Niederschlagswassergebühren profitieren. Die Niederschlagswassergebühr wird im Fall von Dachbegrünungsanlagen mit einem bestimmten Mindestaufbau um 50% gemindert.

Im Schwerpunkt Fordern geht es darum, die Strategie für Neubauprojekte verbindlich in den Instrumenten Baugesetzbuch, Naturschutzgesetz, Bauordnung und Abwassersatzung umzusetzen. In allen Bebauungsplänen soll das Anlegen von Gründächern festgelegt und vereinheitlicht werden. Das Projekt wird in Zusammenarbeit mit der HafenCity Universität (HCU) entwickelt, die vor allem die wissenschaftlichen Erhebungen, Auswertungen und die anschließende Evaluierung vornimmt. Hier wird untersucht, welche Wirkung die realisierte Dachbegrünung für den Regenwasserabfluss und Wasserrückhalt, insbesondere bei Starkregenereignissen, besitzt. Darüber hinaus geht es um die mögliche Anwendbarkeit der Ergebnisse auf andere Städte. Der dritte Schwerpunkt Dialog liegt im Bereich der Kommunikation und Vernetzung. Ziele, Organisation und Durchführung des Projekts werden über eine Internetplattform der Öffentlichkeit präsentiert. Die beteiligten Akteure, wie Planer, Behörden, Unternehmen und Bürger, werden beispielsweise durch Workshops und Informationsveranstaltungen zusammengebracht.

Grüne Zimmer

Die Stadt Ludwigsburg erprobt den Einsatz von sogenannten „Grünen Zimmern“. Diese speziellen Baumwände können nachträglich auf Plätzen installiert werden und dort Schatten bieten. Um die Wirkung zu maximieren, werden diese bewässert, was langfristig mit auf- gefangenem Regenwasser umgesetzt werden soll [17]. Das Ziel ist es, kleine kühlende Inseln in der Stadt zu schaffen, um den Menschen im öffentlichen Raum während einer Hitzeperiode Schutz zu bieten. Die mikroklimatische Wirkung, das körperliche Empfinden und die Akzeptanz in der Bevölkerung werden im Laufe des Projekts von der Uni Stuttgart erhoben und ausgewertet.


 

4. Fazit

Städte werden zukünftig verstärkt mit Hitzewellen konfrontiert werden. Stadtgrün und -Wasser können dabei einen Beitrag zur Anpassung leisten. Die Temperaturreduzierung findet jedoch immer relativ zur umgebenden Temperatur statt. Bei Hitzerekorden von 40 °C wäre der Effekt von städtischem Grün oder Wasser zwar einige Grade geringer, einer Zunahme von extrem heißen Sommern ist aber nicht vollständig entgegenzuwirken. Beschattung durch Bäume kann aber vor allem die körperliche Belastung erheblich minimieren. Darüber hinaus stellen Parkanlagen, sowie strauch- und baumreiche Inseln eine vielversprechende Lösung zur allgemeinen Abkühlung der Innenstädte dar. Zentral bei der Planung ist die Berücksichtigung einer ausreichenden Bewässerung, besonders bei Gründächern. Aufgrund seiner Dringlichkeit kommt das Thema zunehmend auf die politische Agenda. Als Werkzeug werden dabei Förderungen, sowie die Verankerung in Gesetzen und Verordnungen eingesetzt. Als Beispiele wurden die Gründachstrategie der Stadt Hamburg und das Projekt „Grünes Zimmer“ der Stadt Ludwigsburg vorgestellt.

Literatur

[1] Bowler et al. (2010): Urban greening to cool towns and cities: A systematic review of the empirical evidence. In: Landscape and Urban Planning, Volume 97, Issue 3.
[2] Bruse (2003): Stadtgrün und Stadtklima. In: LÖBF- Mitteilungen, 1/03.
[3] Kleerekoper et al. (2012): How to make a city climateproof, addressing the urban heat island effect. In: Resources, Conservation and Recycling, Voume 64.
[4] Doick et al. (2013): Air temperature regulation by urban trees and green infrastructure. In: Forest Research.
[5] Umweltamt Nürnberg (2012): Handbuch Klimaanpassung.
[6] Gago et al. (2013): The city and urban heat island: A review of strategies to mitigate adverse effects. In: Renewable and Sustainable Energy Reviews, Volume 25.
[7] Doick et al. (2014): The role of one large greenspace in mitigating London’s nocturnal urban heat island. In: Science of the Total Environment, Volume 493.
[8] Santamouris (2012): Cooling the cities – A review of reflective and green roof mitigation technologies. In: Solar Energy, Volume 103.
[9] Hoag (2015): How cities can beat the heat. In: Nature, Volume 524.
[10] Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR (2015): Überflutungs- und Hitzevorsorge durch die Stadtentwicklung.
[11] Manteghi et al. (2015): Waterbodies an urban microclimate: A review. In: Modern Applied Science, Volume 9, No. 6.
[12] Fröhlich et al. (2012): Modeling of changes in thermal bioclimate: examples based on urban spaces in Freiburg, Germany. In: Theoretical and Applied Climatolo- gy, Volume 111.
[13] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2015): Grünbuch Stadtgrün.
[14] Bundeskabinett (2011): Aktionsplan Anpassung der Deutschen Anpassungsstrategie an den Klimawandel.
[15] Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (2015): Bekanntmachung des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) über die Förderung von Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel.
[16] Stadt Hamburg: Was ist die Hamburger Gründachstrategie? http://www.hamburg.de/gruendach/4419198/ was-ist-gruendachstrategie/ (Zugriff 26.04.16).
[17] Verband Region Stuttgart: Grünes Zimmer Ludwigsburg. https://www.region-stuttgart.org/aufgaben-und-projekte/regionalplanung/projekte/turas/gruenes-zimmer/ (Zugriff 26.04.16).

Über den Autor

Xander Wilhelm hat diesen Beitrag 2016 als Praktikant des Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU) verfasst.

  • 2011 – 2012: Studium der Biologie (B.Sc.), Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
  • 2012 – 2013: Selbständigkeit im Bereich Innenausbau: Montage von Wänden & Decken im Trockenbau, Altbausanierung, Dämmung & Luftdichtheit, Ladenbau, Rückbau
  • 2012 – 2016: Studium der Geographie und der Internationalen Waldwirtschaft (B.Sc.), Albert Ludwigs Universität Freiburg
  • 2016: Praktikant im AK Wasser, Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)
  • Seit 2016: Studium der Architektur & Stadtplanung (B.Sc.), Universität Stuttgart

Kontakt

Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)
Alfred-Döblin-Platz 1
79100 Freiburg
Tel.: +49 761 4568 71 53
www.akwasser.de

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