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Fachbeitrag: Ist der Rebound-Effekt unvermeidbar?

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Warum liegen tatsächliche Energieverbräuche oft deutlich über den berechneten? In ihrem Fachbeitrag liefern Dr. rer. nat. Franz Peter Schröder und Diplom­-Betriebswirt (BA) Christopher Intsiful Erklärungen und mögliche Lösungsansätze.

Der Beitrag ist zuerst in der GI 6/18 erschienen.

Dämmung und Versiegelung von Gebäudehüllen gemäß EnEV-Baustandards haben nicht zu den angestrebten Fortschritten an Energieeffizienz geführt. Der mittlere Energieverbrauch hat sich bis zur EnEV 2002 um ca. 50 % reduziert, rechnerisch wurden eher 75 – 80 % erwartet [1]. Gleichzeitig verteuert jede Verschärfung der EnEV-Vorgaben die Schaffung neuen Wohnraums [2]. Um dringend benötigte Wohnungsneubauten zu sozialverträglichen Kosten zu ermöglichen und gleichzeitig die Klimaziele nicht aus den Augen zu verlieren, ist es wichtig, das Nutzerverhalten in modernen Wohnumgebungen zu verstehen. Technische Maßnahmen zur Energieeinsparung sind nur dann erfolgversprechend, wenn sie den höchst variablen Bedürfnissen der Wohnungsnutzer nach Behaglichkeit individuell Rechnung tragen [3].

1. Einleitung

In einer Forschungskooperation zwischen Wohnungswirtschaft, zwei Hochschulen und einem Wärmedienst wurde untersucht, warum die tatsächlichen Energieverbräuche so deutlich über den berechneten liegen [4].

Hierzu wurden sechs baugleiche Wohnhäuser über mehrere Jahre betrachtet. Jedes Einzelgebäude besitzt etwa 600 m² Wohnfläche, 750 m² Nutzfläche verteilt über drei Stockwerke und ein teilweise öffentliches Kellergeschoss (siehe Bild 1 und Bild 2). Acht Wohnungen verteilen sich mit je ca. 40, 70 bzw. 90 m² auf die beiden oberen Etagen; die beiden Wohnungen im Erdgeschoss sind je etwa 100 m² groß. Die Fassaden besitzen je 55 Glasfronten – 22 südwärts, 16 nordwärts, acht westwärts und neun ostwärts ausgerichtet. Innenraumtemperaturen wurden von Herbst 2012 bis Spätsommer 2013 im Stundentakt aufgezeichnet [4], Heizenergie­ und Warmwasserverbrauch sechs Jahre lang seit Herbst 2011 (und fortlaufend) in einem monatlichen, energetischen Monitoring erfasst.

  • EnEV 2009 Konformer Gebäudetyp B1
  • Südfassade Neubauten B2
  • Bild 1: EnEV-2009 konformer Gebäudetyp einer städtischen Münchner Wohnungsbaugesellschaft, gebaut 2010. Jeder Block enthält 600 m² Wohnfläche in acht Wohneinheiten auf drei Etagen bei 750 m² umbauter Nutzfläche.

  • Bild 2: Südfassade der untersuchten Neubauten inkl. ungefährer Abgrenzung der je acht Wohneinheiten (mit Wohnflächen- angabe in m²). Eine Fenster-/Türfront gilt statistisch als „offen“, sobald mindestens ein Fenster einer Front geöffnet ist.

Bild 3 zeigt zunächst die täglichen Mittel der Wohnraumtemperaturen TL der etwa 120 Messstellen in 48 Wohnungen inklusive der Standardabweichungen, und zwar in Abhängigkeit von der mittleren Tagesaußentemperatur TA. Hier ist veranschaulicht, dass die mittleren Raumtemperaturen TL über einen weiten Bereich von Außentemperaturen TA unterhalb von 14 °C nie einen Komfortbereich von 21 – 22 °C unter­ schreiten, egal wie weit die Außentemperaturen absinken.

Lediglich die Standardabweichungen von TL erhöhen sich noch marginal, das heißt es existieren vereinzelt noch leicht kühlere oder aufgeheizte Wohnungen, respektive Einzelräume, zwischen etwa 18 und 24 °C. Erwähnenswert ist weiterhin, dass bis in die Sommermonate hinein, also bei mittleren Außentemperaturen über etwa 14 °C hinaus, die Raumtemperaturen TL permanent um 4 – 5 K über den Tagesmitteltemperaturen liegen (siehe Diagonale rechts unten in Bild 3). Dadurch wird sichtbar, dass durchgehend Energieeinträge in den Wohnungen vorliegen müssen, entweder durch Heizenergie oder durch innere Wärmegewinne (wie Solareinstrahlung) oder durch beides parallel.

Mittlere Tages Raumtemperaturen B3

Bild 3: Mittlere Tages-Raumtemperaturen TL (Punkte schwarz) inkl. Standardabweichungen (rote Linien) über sechs Gebäude (48 Wohnungen) versus Tages-Außenmitteltemperatur TA. Datenbasis: Stundenmittel der Temperaturmessungen zwischen Oktober 2012 und September 2013.

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