Ob in der Industrie oder im Handwerk: Bei vielen Produktionsprozessen fällt Abwärme an. Ungenutzt verpuffen so Milliarden Euro in der Luft. Dabei lässt sich Abwärme wirtschaftlich verwenden.
Das Verwertungspotenzial für Abwärme ist groß
Für viele Energie- und Umweltmanager ein echtes Ärgernis: Von jedem Euro, den deutsche Unternehmen für Energie ausgeben, gehen rund 60 Cent in Prozesswärme. Nachdem diese ihren Zweck erfüllt hat, geht das meiste als Abwärme verloren. „Die deutsche Industrie verursacht jedes Jahr mindestens 200 Terrawattstunden an Abwärme“, sagt Fabian Jäger-Gildemeister, Ansprechpartner für Energieeffizienzaspekte im Industriesektor des Umweltbundesamtes (UBA).
Der Hauptgrund dafür liegt in der Prozesswärme, die bei technischen Verfahren, wie zum Beispiel beim Betrieb von Hochöfen oder dem Backen von Brötchen, benötigt wird. Sie macht mit rund 455 Terrawattstunden mehr als 60 Prozent des industriellen Endenergieverbrauchs aus. Energie, die zu einem großen Teil verloren geht und dennoch bezahlt werden muss. Ein beachtlicher Teil von ihr lässt sich aber auch wieder zurückgewinnen, indem er für andere Industrieprozesse erneut eingesetzt wird.
„Geschätzt lässt sich Abwärme in einer Größenordnung von zehn bis zwölf Prozent des Brennstoffeinsatzes erneut nutzen“, sagt Dr. Martin Pehnt, Geschäftsführer des Instituts für Energie- und Umweltforschung in Heidelberg (ifeu), und ergänzt: „Das entspricht ca. 160 Petajoule“ – also in etwa dem jährlichen Energieverbrauch aller Einwohner Kölns. Eine „Ich schätze, dass 3 bis 6 Milliarden Euro eingespart werden könnten“, bestätigt auch Jäger-Gildemeister vom Umweltbundesamt.
Und auch die Umwelt würde profitieren, denn zwischen 50 und 60 Millionen Tonnen CO2 seien jährlich vermeidbar – beinahe die Hälfte der Menge, um die der Wald hierzulande pro Jahr die Atmosphäre entlastet. „Insbesondere die Metallverarbeitung, die chemische Industrie oder die Zementindustrie haben da großes Potenzial“, berichtet Pehnt. „Aber auch in allen anderen Branchen sind ungeborgene Potenziale zu finden.“ Auch ein steigender Anteil von Erneuerbaren Energien zur Erzeugung von Prozesswärme könnte das generelle Dekarbonisierungspotenzial erheblich steigern, hatte das Hamburg Institut jüngst in einem Kurzgutachten festgestellt.
Bild 1: Mögliche Quellen von Abwärme (Quelle: dena)
Abwärmeplanung entlang einer Kaskade
Wer die Abwärmenutzung im eigenen Betrieb konkret plant, kommt an der so genannten Abwärmekaskade nicht vorbei. Hier wird die Temperatur der generierten Abwärme der Temperatur möglicher Nutzungsprozesse gegenübergestellt. Abwärme mit hoher Temperatur und entsprechend hohem Energiegehalt sollte im Idealfall für Prozesse verwendet werden, die nach genau einer solchen Temperatur verlangen.
„Hochtemperaturwärme sollte am besten wieder als Hochtemperaturwärme zum Einsatz kommen – das ist natürlich deutlich effizienter, als sie etwa für eine andere Nutzung herunterkühlen zu müssen“, erklärt Martin Beck, Projektleiter der ETA-Fabrik, in deren Rahmen an der Technischen Universität Darmstadt Möglichkeiten zur Vermeidung und Nutzung von Abwärme untersucht werden.
Die Abwärmekaskade unterscheidet in vier Ebenen:
1. Vermeiden ist oberstes Gebot
„Abwärme entsteht aus technisch bedingten Verlusten – schlichtweg, weil es nie einen Wirkungsgrad von 100 Prozent gibt. Durch Energieeffizienz-Maßnahmen können wir jedoch versuchen, den Wirkungsgrad so hoch wie möglich zu halten“, so Beck.
Zur Entwicklung einer Vermeidungsstrategie helfen Antworten auf folgende Fragen:
• Ist der Prozess richtig dimensioniert und können Aufwärm- oder Abkühlphasen vermieden werden?
• Wird die Anlage richtig gesteuert und lassen sich unter Umständen Leerlaufphasen reduzieren? • Ist die gewählte Temperatur wirklich nötig?
• Kann eine bessere Dämmung helfen?
• Wird die Anlage richtig gewartet? „Danach gilt es zu prüfen, ob sich die Abwärme als Wärmeenergie zum Beispiel für Warmwasser, die Heizung oder zur Verstromung nutzen lässt“, so Martin Pehnt.
2. Innerbetriebliche Nutzung
Im zweiten Schritt werden zunächst die Möglichkeiten ausgelotet, die Abwärme innerhalb des eigenen Betriebes wiederzuverwenden, beispielsweise zum Vorwärmen von Verbrennungsluft. Für die Verwertung für die Raumheizung genügen bereits Abwärmetemperaturen von 35 bis 90 Grad – Temperaturen, die beispielsweise beim Betrieb von Lüftungssystemen, Kältemaschinen oder im Kühlwasser von Produktionsmaschinen entstehen.
Ist es nicht möglich, die Abwärme direkt in den zu beheizenden Raum zu leiten, bringt sie ein Wärmetauscher in das Heizsystem ein. Pehnt zufolge lohnt es sich bereits für kleinere Gewerbe, über derlei Maßnahmen nachzudenken: „Es ist eigentlich ein Leichtes, einen Wärmetauscher an einen Bäckereiofen anzuschließen und damit unmittelbar Heizwärme bereitzustellen.“
Doch nicht nur Räume, sondern auch Brauchwasser lässt sich erwärmen. Hier gilt ebenso: Die Abwärme benötigt keine allzu hohen Temperaturen. Zumindest das Vorwärmen des kalten Leitungswassers auf 40 bis 65 Grad, zum Beispiel für Waschbecken oder Duschen, ist in vielen Fällen realisierbar.
Doch auch andere Produktionsprozesse profitieren: Kann ein Betrieb Abwärme etwa aus Verbrennungsprozessen gewinnen, reicht diese aufgrund ihrer hohen Temperatur zum Beispiel aus, um das Wasser für eine Wäscherei aufzuheizen oder Milch bei Temperaturen zwischen 80 und 110 Grad zu pasteurisieren.
Ist die Temperatur für andere Prozesse zu niedrig, kann mithilfe einer Wärmepumpe auch eine zusätzliche Erhitzung erfolgen. Mit einem dem Kühlschrank ähnlichen thermodynamischen Kreisprozess erzeugt diese aus rund 30 Grad eine Temperatur von bis zu 75 Grad.
Übrigens: Aus Abwärme kann auch Kälte werden. Sogenannte Kälteabsorptionsanlagen erzeugen mit rund 55 Grad heißer Abwärme Kaltwasser zwischen 5 und 12 Grad.
Bild 2: Abwärme kann in unterschiedlichen Gebieten eingesetzt werden. (Quelle: dena)
3. Außerbetriebliche Nutzung
Wenn alle Möglichkeiten der innerbetrieblichen Nutzung ausgeschöpft sind, kann man Abwärme eventuell über die Unternehmensgrenzen hinaus weiterverarbeiten. „Ab einem bestimmten Punkt stellt sich die Frage, ob sich die Energie in Wärmenetze einspeisen oder an andere Unternehmen verkaufen lässt“, erklärt Pehnt.
4. Stromerzeugung
Sind die Abwärmetemperaturen entsprechend hoch, besteht sogar Potenzial für die Stromerzeugung: Die Verstromung von Abwärme ergibt ab einer Temperatur von 80 Grad Sinn und hat je nach Technologie einen Wirkungsgrad von rund zehn Prozent. „Es braucht sehr konzentrierte Abgasströme auf einem hohen Temperaturniveau, wie sie unter anderem in der Zementindustrie vorkommen“, hält Pehnt fest. Martin Beck beschreibt die Wärmeverstromung als noch eher seltene Erscheinung. „Aber aus Abwärme Elektrizität zu erzeugen, ist ein enormer Vorteil“, betont der Wirtschaftsingenieur. „Schließlich können Betriebe Strom sehr flexibel verwenden.“
Dabei gab es bei der Abwärmeverstromung in den letzten Jahren erhebliche technische Weiterentwicklungen, die es Unternehmen heute erlauben, mit wenig Aufwand schnell zum eigenen Stromproduzenten zu werden. Zudem hat diese Nutzungsart große Vorteile: Elektrische Energie ist universal einsetzbar, zum Beispiel für die eigenen Betriebsprozesse. Das senkt die Strombezugskosten. Ebenso ist elektrische Energie vergleichsweise einfach zu transportieren, was sie für Unternehmen in abgelegenen Gegenden interessant macht.
Hinzu kommt, dass die Verstromung gut mit anderen Nutzungsarten kombinierbar ist. So lässt sich aus der Abwärme zunächst Strom produzieren, und die Restwärme anschließend noch einmal in das Heizsystem einspeisen. Durch die Kombination verschiedener Nutzarten können Unternehmen insgesamt einen Wirkungsgrad von rund 90 Prozent erreichen – 15 Prozent der Abwärme wird verstromt, die Restwärme geht nach der Stromproduktion mit einem Wirkungsgrad von 75 Prozent in das Heizsystem.
Der ORC-Fachverband schätzt, dass deutschlandweit bis zu fünf Gigawatt Strom über industrielle Abwärme erzeugt werden könnten. Das entspricht der Leistung von rund fünf Kernkraftwerken.
2. Innerbetriebliche Nutzung
Im zweiten Schritt werden zunächst die Möglichkeiten ausgelotet, die Abwärme innerhalb des eigenen Betriebes wiederzuverwenden, beispielsweise zum Vorwärmen von Verbrennungsluft. Für die Verwertung für die Raumheizung genügen bereits Abwärmetemperaturen von 35 bis 90 Grad – Temperaturen, die beispielsweise beim Betrieb von Lüftungssystemen, Kältemaschinen oder im Kühlwasser von Produktionsmaschinen entstehen.
Ist es nicht möglich, die Abwärme direkt in den zu beheizenden Raum zu leiten, bringt sie ein Wärmetauscher in das Heizsystem ein. Pehnt zufolge lohnt es sich bereits für kleinere Gewerbe, über derlei Maßnahmen nachzudenken: „Es ist eigentlich ein Leichtes, einen Wärmetauscher an einen Bäckereiofen anzuschließen und damit unmittelbar Heizwärme bereitzustellen.“
Doch nicht nur Räume, sondern auch Brauchwasser lässt sich erwärmen. Hier gilt ebenso: Die Abwärme benötigt keine allzu hohen Temperaturen. Zumindest das Vorwärmen des kalten Leitungswassers auf 40 bis 65 Grad, zum Beispiel für Waschbecken oder Duschen, ist in vielen Fällen realisierbar.
Doch auch andere Produktionsprozesse profitieren: Kann ein Betrieb Abwärme etwa aus Verbrennungsprozessen gewinnen, reicht diese aufgrund ihrer hohen Temperatur zum Beispiel aus, um das Wasser für eine Wäscherei aufzuheizen oder Milch bei Temperaturen zwischen 80 und 110 Grad zu pasteurisieren.
Ist die Temperatur für andere Prozesse zu niedrig, kann mithilfe einer Wärmepumpe auch eine zusätzliche Erhitzung erfolgen. Mit einem dem Kühlschrank ähnlichen thermodynamischen Kreisprozess erzeugt diese aus rund 30 Grad eine Temperatur von bis zu 75 Grad.
Übrigens: Aus Abwärme kann auch Kälte werden. Sogenannte Kälteabsorptionsanlagen erzeugen mit rund 55 Grad heißer Abwärme Kaltwasser zwischen 5 und 12 Grad.
3. Außerbetriebliche Nutzung
Wenn alle Möglichkeiten der innerbetrieblichen Nutzung ausgeschöpft sind, kann man Abwärme eventuell über die Unternehmensgrenzen hinaus weiterverarbeiten. „Ab einem bestimmten Punkt stellt sich die Frage, ob sich die Energie in Wärmenetze einspeisen oder an andere Unternehmen verkaufen lässt“, erklärt Pehnt.
4. Stromerzeugung
Sind die Abwärmetemperaturen entsprechend hoch, besteht sogar Potenzial für die Stromerzeugung: Die Verstromung von Abwärme ergibt ab einer Temperatur von 80 Grad Sinn und hat je nach Technologie einen Wirkungsgrad von rund zehn Prozent. „Es braucht sehr konzentrierte Abgasströme auf einem hohen Temperaturniveau, wie sie unter anderem in der Zementindustrie vorkommen“, hält Pehnt fest. Martin Beck beschreibt die Wärmeverstromung als noch eher seltene Erscheinung. „Aber aus Abwärme Elektrizität zu erzeugen, ist ein enormer Vorteil“, betont der Wirtschaftsingenieur. „Schließlich können Betriebe Strom sehr flexibel verwenden.“
Dabei gab es bei der Abwärmeverstromung in den letzten Jahren erhebliche technische Weiterentwicklungen, die es Unternehmen heute erlauben, mit wenig Aufwand schnell zum eigenen Stromproduzenten zu werden. Zudem hat diese Nutzungsart große Vorteile: Elektrische Energie ist universal einsetzbar, zum Beispiel für die eigenen Betriebsprozesse. Das senkt die Strombezugskosten. Ebenso ist elektrische Energie vergleichsweise einfach zu transportieren, was sie für Unternehmen in abgelegenen Gegenden interessant macht.
Hinzu kommt, dass die Verstromung gut mit anderen Nutzungsarten kombinierbar ist. So lässt sich aus der Abwärme zunächst Strom produzieren, und die Restwärme anschließend noch einmal in das Heizsystem einspeisen. Durch die Kombination verschiedener Nutzarten können Unternehmen insgesamt einen Wirkungsgrad von rund 90 Prozent erreichen – 15 Prozent der Abwärme wird verstromt, die Restwärme geht nach der Stromproduktion mit einem Wirkungsgrad von 75 Prozent in das Heizsystem. Der ORC-Fachverband schätzt, dass deutschlandweit bis zu fünf Gigawatt Strom über industrielle Abwärme erzeugt werden könnten. Das entspricht der Leistung von rund fünf Kernkraftwerken.
Bild 3: Mögliche Abwärmequellen und ihr Weg in die Stromeinspeisung (© BMWi)
Solide Renditen und staatliche Förderung für Abwärmenutzung
Egal, auf welche der Nutzungsarten die Wahl fällt, zumeist rechnet sich die Abwärmeverwertung. Ob Maßnahmen wirtschaftlich sind, muss letztlich ein Energieberater ausarbeiten. Erfahrungen zeigen, dass die interne Verzinsung nicht selten im zweistelligen Prozentbereich liegt. Dazu trägt auch die staatliche Förderung bei. Die KfW gewährt für die Investition in die aufgeführten Maßnahmen zinsgünstige Kredite in Höhe von bis zu 25 Millionen Euro. Zusätzlich gibt es einen vom BMWi finanzierten Tilgungszuschuss in Höhe von 30 Prozent, kleine und mittlere Unternehmen erhalten einen weiteren Bonus von 10 Prozent. (aho)