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Baden-Württemberg soll bis 2040 klimaneutral werden. Besonders viel zu tun ist in den nächsten 19 Jahren im Wärmesektor. Hier stammt aktuell nur knapp ein Sechstel der verbrauchten Wärme aus erneuerbaren Energien. Doch auf welche Technologie sollten Privatpersonen, Kommunen und Unternehmen künftig setzen? Erneuerbare Wärmenetze und regenerative Einzelheizungen wie Wärmepumpen werden Gebäudeheizungen eine große Rolle spielen.

Drauf weist die Plattform Erneuerbare Energien Baden-Württemberg hin. Auf grünen Wasserstoff sollten Gebäudeeigentümer eher weniger setzen: An dem erneuerbaren Gas haben viele Akteure Interesse. Da das Gas noch lange knapp und teuer bleiben wird, kommt es vermutlich erst einmal in der Industrie und in der Mobilität zum Einsatz. Neue Erdgasheizungen sind daher wahrscheinlich eine ökologische und finanzielle Fehlkalkulation, so die Branchenverband.

Der Anteil der erneuerbaren Energien an der Energieversorgung in Baden-Württemberg ist in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. „Baden-Württemberg strebt an, zum Ende der nächsten Dekade klimaneutral zu sein. Das erfordert einen deutlich schnelleren Zubau der erneuerbaren Energien, damit der Strom-, Wärme-, und Mobilitätssektor bis dahin weitestgehend ohne Treibhausgasausstoß versorgt wird“, erklärt Jörg Dürr-Pucher, Vorsitzender der Plattform EE BW. In diesem Punkt sind sich praktisch alle Experten einig.

Sorgenkind Wärmewende – der Südwesten geht es jetzt an

Das größte Sorgenkind beim Umbau hin zu einer klimaneutralen Energieversorgung ist der Wärmesektor. In Baden-Württemberg liegt der Anteil der Erneuerbaren am Endenergieverbrauch aktuell bei nur 15,7 Prozent. Deshalb ist ein schneller Ausbau regenerativer Wärmenetze und die Nutzung industrieller Abwärme in Städten und Dörfern und eine zügige Dekarbonisierung der großen Fernwärmenetze eine der wichtigsten Aufgaben dieser Legislaturperiode. Zweiter Baustein sind regenerative Einzelheizungen, vor allem dort, wo Wärmenetze keinen Sinn machen, weil zu wenig Wärme verbraucht wird.

Die formalen Voraussetzungen für die Wärmewende sind gut. Die kommunale Wärmeplanung startet überall im Land. Regionale Planungsnetzwerke nehmen nach den Sommerferien ihre Arbeit auf. Das Kompetenzzentrum Wärme der KEA Klima- und Energieagentur Baden-Württemberg ist personell aufgerüstet worden. Der schwierigere Teil der Aufgabe kommt jedoch noch: Die Wärmewende muss schnell umgesetzt werden. „Die Planung und der Bau von konkreten Solarthermieanlagen, Hackschnitzelkesseln, Abwärmeanlagen, Wärmepumpen, Fernwärmeverbünden und Wärmespeichern muss spätestens 2022 beginnen“, so Dürr-Pucher. „Dazu muss die Branche schnell wachsen, denn im Gegensatz zu Wind- und Solarparks, wo die Firmen in den Startlöchern stehen und morgen doppelt so viele Anlagen bauen könnten wie heute, fehlen im Wärmesektor, vor allem beim Tief- und Rohrleitungsbau schlagkräftige Unternehmen und Fachkräfte.“

Grünes Gas zu wertvoll, um Häuser mit Energie zu versorgen

Die wichtigste Voraussetzung der Sektorkopplung ist eine intelligentere Verbindung von Strom-, Gas- und Wärmenetzen. Wärmepumpen können regenerativen Überschussstrom aus Sonne und Wind günstig in Grüne Fernwärme verwandeln. Die Abwärme von Elektrolyseuren, die Grünen Wasserstoff produzieren, kann in den Wärmespeichern effizient zur Wärmewende beitragen. Gasnetze können auf grünen Wasserstoff umgerüstet werden.

Grüner Wasserstoff wird per Elektrolyse aus Ökostrom erzeugt. Angesichts der zu erwartenden Kosten für grünen Wasserstoff ist es aber unwahrscheinlich, dass einzelne Gebäude über die Gasverteilnetze mit dem erneuerbaren Gas versorgt werden können. Denn man benötigt mehr als drei Kilowattstunden erneuerbaren Strom, um eine Kilowattstunde grünen Wasserstoff zu produzieren. Vermutlich wird der teure grüne Wasserstoff deshalb vor allem in Stahl- und Chemiewerken, Flugzeugen und Lastwagen eingesetzt. Für die Gebäudeheizung braucht es dagegen günstigere regenerative Lösungen.

Neue Erdgasheizungen und Erdgasleitungen in Quartieren könnten eine teure und klimaschädliche Fehlinvestition werden: Energie- und Infrastrukturprojekte sind langfristige Entscheidungen. Konventionelle Kraftwerke werden auf 40 Jahre abgeschrieben, Photovoltaikanlagen produzieren 30 Jahre und länger Ökostrom. Bei Heizungen liegt die Betriebsdauer bei 20 bis 30 Jahren. Das Ziel ist jedoch, in 19 Jahren klimaneutral zu werden. Entscheidungen heute wirken sich daher auch morgen aus. „Wer heute noch eine fossile befeuerte Einzelheizung kauft oder eine Gasleitung in ein Wohngebiet legt, trifft eindeutig eine Fehlentscheidung, selbst wenn er plant diese später mit grünem Wasserstoff zu betreiben“ erklärt Dürr-Pucher. „Erstens: Erdgas wird durch den CO2-Preis teurer und die negativen Klimaeffekte durch Erdgasförderung und Leckagen sind stärker zu berücksichtigen. Zweitens: Grüner Wasserstoff ist im Gebäudesektor anderen Energieträgern unterlegen. Eine Wärmepumpe etwa macht aus einer Kilowattstunde Strom drei bis vier Kilowattstunden Wärme. Power-to-heat ist damit um den Faktor neun effizienter. Drittens: Grüner Wasserstoff ist und bleibt ein knappes Gut. Entsprechend wird sich der Preis entwickeln“, so Dürr-Pucher.

Grüner Wasserstoff wichtiger Baustein der Energiewende

Im Südwesten gibt es großen Bedarf für grüne Gase in Industrie und Gewerbe. Auch sollten neue Gaskraftwerke mit Kraft-Wärme-Kopplung, die in Baden-Württemberg zur Versorgungssicherheit noch dringend gebraucht werden, „H2-ready“ konstruiert werden, also Wasserstoff verbrennen können. Denn es gilt: Um erneuerbare Energien langfristig im überregionalen Gasnetz und in Gaskavernen speichern zu können und auch für die Überbrückung von Zeiten mit einem geringen Angebot an Ökostrom spielt grüner Wasserstoff eine zentrale Rolle.

Fazit: „Im Zusammenspiel von erneuerbaren Energien und der Wasserstofftechnologie wird die sektorenübergreifende Energiewende gelingen“, ist Dürr-Pucher überzeugt. Allerdings muss darauf geachtet werden, dass die wertvollen Ressourcen – Ökostrom und grüner Wasserstoff – so effizient wie möglich genutzt werden.

Quelle: Solar Consulting GmbH

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