Auf dem Herbstforum Altbau gab es in diesem Jahr ein Jubiläum zu feiern. Der deutschlandweit bekannte Branchentreff fand zum 25 Mal statt. Langeweile kam nicht auf: Einen Schwerpunkt der Fachtagung bildeten die Neufassung des kontrovers diskutierten Gebäudeenergiegesetzes, das kommunale Wärmeplanungsgesetz und die geänderte Bundesförderung. Weitere Fokusthemen waren die Klimaforschung und Klimakommunikation sowie die Suffizienz in Gebäuden.
Auf einer Podiumsdiskussion wurde thematisiert, dass die Fachwelt nur gemeinsam – in Form von starken Partnerallianzen – die Gebäudesanierung in notwendigem Maße voranbringen kann. An der Jubiläumsveranstaltung am 22. November 2023 in Stuttgart nahmen rund 800 Expertinnen und Experten aus Energieberatung, Handwerk, Architektur und Planung, Politik und Verwaltung sowie Kammern und Verbänden teil – rund 400 waren vor Ort, 400 online dabei. Veranstalter der renommierten Fachtagung ist Zukunft Altbau, das vom Umweltministerium Baden-Württemberg geförderte Informationsprogramm.
Das Herbstforum zeigt jedes Jahr Wege hin zu einem klimaneutralen Gebäudebestand auf und gibt aktuelle Impulse aus der Bauforschung und -praxis. Die Vorträge, interaktive Programmpunkte und eine begleitende Fachausstellung zeigen, wie die dringend erforderliche Wärmewende erfolgreich umgesetzt werden kann. Ein Schlüssel ist dabei die Energieberatung. Energieberaterinnen und Energieberater, Planerinnen und Planer, Handwerkerinnen und Handwerker sind das ganze Jahr bei den Bürgerinnen und Bürgern vor Ort, informieren zur energetischen Sanierung und erklären den vielfachen Nutzen von möglichen Sanierungsmaßnahmen. Das Herbstforum Altbau als etabliertes Branchentreffen spielt hier eine wichtige Rolle für den Austausch. Seit zweieinhalb Jahrzehnten bildet es nicht nur weiter, knüpft Netzwerke knüpft und schmiedet Allianzen, sondern stärkt die so wichtige Basisarbeit mit motivierenden Impulsen.
Dem globalen Klima geht es schlecht: was nun zu tun ist
Nach Begrüßung und Einführung durch die Journalistin und Moderatorin Janine Steeger sowie Frank Hettler, Leiter von Zukunft Altbau, machte der Klimaforscher Dr. Udo Engelhardt den Auftakt. In seiner Keynote zeigte er, wie weit die Klimakrise bereits fortgeschritten ist. Aktuell gibt es Rekorde beim Ausstoß von Treibhausgasen. Die Arktis schmilzt, Europa ist inzwischen die sich am zweitstärksten erwärmende Region der Welt. Extreme Wetterereignisse wie Trockenheit, Starkregen und Hitzewellen häufen sich.
Der ausgebildete Meeresbiologe verdeutlichte in seinem Vortrag die fundamentalen Zusammenhänge und die Dringlichkeit zum entschiedenen Handeln. Ohne Wärme- und Verkehrswende könnten die Klimaziele in Deutschland nicht erreicht werden. Dazu bedürfe es aber einschneidender Transformationen. Der Verbrauch fossiler Brennstoffe müsse daher viel rascher als geplant enden, um für die Menschheit existenzbedrohende Risiken zu mindern. Neben dem Klimaschutz muss aber auch der Naturschutz gestärkt und die biologische Vielfalt erhalten werden.
Die Gesetze ambitionierter gestalten
Welche Auswirkungen das Gebäudeenergiegesetz (GEG), die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG), die Bundesförderung für Wärmenetze (BEW) sowie das kommunale Wärmeplanungsgesetz (WPG) auf die Praxis der energetischen Sanierung haben, zeigte Uta Weiß. Sie ist Programmleiterin Gebäude/Wärmenetze der Denkfabrik Agora Energiewende.
Sie gab in ihrem Beitrag einen Überblick über die Gesetzeslage in Deutschland und der EU sowie einen Ausblick auf die erforderlichen Veränderungen. Die gesetzlichen Anstrengungen seien bei Weitem noch nicht genug, um die deutschen Klimaziele zu erreichen, so Weiß. Auch hätten viele Bürgerinnen und Bürgern die Vorstellung, dass keine relevanten Veränderungen erforderlich seien. Die Debatte beispielsweise über die verschärften Anforderungen des Heizungsgesetzes überraschte daher in diesem Jahr viele, so Weiß.
Fakten alleine reichen nicht, um zu überzeugen
Carel Mohn, Chefredakteur des Portals www.klimafakten.de betonte in seinem Vortrag, dass die Klimaberichterstattung als auf Fakten gestützter Wissenschaftsjournalismus zwar den Ernst der Lage klarmache, aber dies allein noch nicht ausreiche, um die Menschen zu erreichen. Da der Gebäudesektor zu den Treibern der planetaren Krise gehöre, müsse sich auch die Kommunikation darüber ändern. Ein Bewusstseinswandel sei nötig.
Er erklärte, wie man sinnvoll über Klimathemen berichten könne und stellte fünf Faktoren einer besseren Klimakommunikation vor. Dabei spielten unter anderem Metaphern, Werte und soziale Normen eine zentrale Rolle. Erforderlich sei etwa, die vorhandene gesellschaftliche Unterstützung der Gesellschaft für Klimaschutz ins Zentrum der Debatte zu rücken und dies auch für die Kommunikation zu nutzen.
Nach der Mittagspause kam die junge Generation zu Wort, da sie die Auswirkungen des derzeitigen Handelns am meisten spüren wird. Drei Schülerinnen des Schickhardt Gymnasiums Stuttgart zeigten in emotionalen Science Slams, was sie von der Gesellschaft und den Älteren erwarten, um das Klima zu schützen. Die Leiterin ihrer Schul-AG, die Pädagogin und Bühnenkünstlerin Marina Sigl, rundete das Plädoyer mit einem eigenen Beitrag ab.
Die Rolle des Landes: Vorreiterrolle kommunale Wärmeplanung
Anschließend erläuterte Umweltministerin Thekla Walker im Interview mit Janine Steeger die aktuelle Strategie des Landes Baden-Württemberg. Strengere Gesetze etwa beim Heizungstausch seien im Augenblick nicht das Gebot der Stunde. Vielmehr sollten nach den vielen Debatten die zustande gekommenen Regelungen des novellierten GEG erst einmal umgesetzt werden.
Eine prägende Rolle bei der energetischen Sanierung hierzulande werde künftig auch die kommunale Wärmeplanung spielen, betonte Walker. Hier sei Baden-Württemberg unbestritten Vorreiter und Vorbild. Andere Bundesländer würden inzwischen die Vorgaben, die bisher nur im Südwesten galten, übernehmen. Für das Bundesgesetz war die Wärmeplanung im Land ebenfalls eine Blaupause. Die Vorbildrolle des Landes solle durch weitere Vorhaben gesichert werden.
Fachleute: Wärmewende gemeinsam vorantreiben
Die Bedeutung von Fachleuten aus Energieberatung, Handwerk, Architektur und Ingenieurwesen für eine erfolgreiche Wärmewende thematisierte im Anschluss eine Gesprächsrunde mit der Ministerin und Frank Hettler von Zukunft Altbau. Besonders wichtig sei ein gemeinsames, koordiniertes Vorgehen in einem Netzwerk, so die Teilnehmerinnen und Teilnehmer. Nur so könne die energetische Sanierung des Gebäudebestandes besser, schneller und einfacher umgesetzt werden.
Mit dabei waren die Partner von Zukunft Altbau, vertreten durch Dieter Bindel, Vorstand Gebäudeenergieberater Ingenieure Handwerker (GIH), Hermann Dannecker, Vorstand Deutsches Energieberaternetzwerk (DEN), Tobias Bacher als Vertreter des Verbands der regionalen Energie- und Klimaschutzagenturen Baden-Württemberg, Peter Haas, Hauptgeschäftsführer Handwerk BW, Cornelia Tausch, Vorstand Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, Wolfgang Sanwald, Mitglied im Landesvorstand Architektenkammer Baden-Württemberg und Rolf Stadel von der Arbeitsgemeinschaft der Baden-Württembergischen Bausparkassen sowie Boris Mahler von der Ingenieurkammer Baden-Württemberg.
Ohne Suffizienz geht es nicht
Im darauffolgenden Vortrag ging es um Suffizienzansätze im Gebäudebereich. Der Forscher Patrick Zimmermann vom Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu) zeigte auf, welchen Einfluss suffizientes Wohnen haben kann. Schlüsselelemente bilden eine reduzierte Wohnfläche pro Kopf, eine bedürfnisorientierte Anpassungsfähigkeit der Wohn- und Nutzflächen sowie energie- und ressourcensparende Eigenschaften des Gebäudes.
Eine solche Art des Wohnens würde zwei Probleme lösen: Zwar ist der Energieverbrauch pro Quadratmeter Wohnfläche in den vergangenen Jahrzehnten gesunken. Die Einsparung wird aber durch die steigende Wohnfläche pro Kopf wieder zunichte gemacht. Sie ist in den vergangenen fünf Jahrzehnten mit inzwischen fast 50 Quadratmeter auf das Doppelte angestiegen. Das wiederum erfordert neue Wohnungen – für das Klima keine gute Entwicklung. Mehr Suffizienz beim Wohnen würde den Energieverbrauch senken und die Anzahl der erforderlichen Neubauten drastisch reduzieren. Rund 80 Prozent der von der Bundesregierung angestrebten 400.000 neuen Wohnungen im Jahr könnten damit außerhalb von Neubauten entstehen, so Zimmermann.
Blick in den Westen Österreichs: der Kommunale Gebäudeausweis
Sabine Erber, Projektmanagerin für energieeffizientes und ökologisches Bauen am Energieinstitut Vorarlberg, stellte den Kommunalen Gebäudeausweis (KGA) in dem österreichischen Bundesland vor. Mit ihm soll eine ganzheitliche Planung für einen nachhaltigen öffentlichen Gebäudebestand gelingen. Das frei verfügbare, kostenfreie Werkzeug unterstützt Kommunen und Fachleute. Es enthält 14 unterschiedlich gewichtete Kriterien. Bewertet wird nach Punkten, maximal sind 1.000 Punkte möglich. Bewertet werden Prozess- und Planungsqualität, Energie und Versorgung, Gesundheit und Komfort sowie Baustoffe und Konstruktion. Der KGA dient als Zielkatalog und zur Qualitätssicherung.
Genutzt wurde das Tool etwa im Bildungszentrum Frastanz-Hofen. Mit der Sanierung und Erweiterung des Bildungszentrums hat die Marktgemeinde Frastanz ein Gebäude geschaffen und dabei höchste energetische sowie ökologische Standards eingehalten. Dafür wurde die Gemeinde 2021 mit dem Staatspreis für Architektur und Nachhaltigkeit ausgezeichnet. Übrigens: Dass sich der KGA lohnt, hat sich auch schon in Baden-Württemberg herumgesprochen. Mit Hilfe des Leitfadens Nachhaltiges Bauen (LNB) findet die Idee des KGA im Südwesten immer mehr Eingang in die Praxis.
Fazit mit Trend zur Null
Abgerundet wurde die Jubiläumsveranstaltung mit einem Ausblick von Janine Steeger und Frank Hettler. Ihr Fazit: Die energetische Sanierung von bestehenden Gebäuden ist ein mächtiger Hebel, um den Treibhausgasausstoß zu reduzieren und langfristig gegen Null zu bringen. Das sollte Mut machen und zugleich Ansporn sein.
Die Fachtagung folgte den Standards des Labels Green Event BW – einer Initiative der Nachhaltigkeitsstrategie des Umweltministeriums des Landes und war umweltfreundlich und nachhaltig organisiert.
Quelle: Zukunft Altbau