Das Nachrichtenportal für TGA-, HLK- und Sanitär-Experten
Logo-Wuppertal-Institut

Damit die Europäische Union (EU) bis 2050 klimaneutral wird, hat sie sich im Zuge der Reform der Gebäuderichtlinie Ende 2023 auf strengere Vorgaben zur Energieeffizienz von Gebäuden geeinigt. Die überarbeitete Richtlinie fordert die Mitgliedstaaten unter anderem auf, zentrale Anlaufstellen für energetische Gebäudesanierungen zu schaffen. Die Forschenden des Wuppertal Instituts haben sich in den vergangenen dreieinhalb Jahren im Rahmen des Projekts ProRetro im Vorfeld der Einigungen der EU schon mit der Frage beschäftigt, wie Sanierungen mithilfe von sogenannten One-Stop-Shops deutlich einfacher und zeitsparender werden.

Der im Dezember 2023 gefundene Kompromiss zur Neufassung der EU-Gebäuderichtlinie (Energy Performance of Buildings Directive, EPBD) enthält hinsichtlich der Energieeffizienz verschiedene Maßnahmen, um die europaweit notwendige Renovierungswelle voranzubringen. Eine dieser Maßnahmen sind sogenannte One-Stop-Shops. Sie dienen als zentrale Anlaufstellen für energetische Gebäudesanierung und übernehmen eine Vielzahl an Aufgaben, die sich bei einer energetischen Sanierung ergeben. So werden Immobilien-Eigentümer*innen durch den gesamten Sanierungsprozess begleitet, wodurch sich der oftmals komplexe Prozess mit seinen vielen Einzelschritten und Wechselwirkungen zwischen diesen vereinfachen lässt. Eigentümer*innen werden so beispielsweise bei Energieberatung, Finanzierung und Fördermitteln, Beauftragung verschiedener Gewerke und bei der Koordination der Arbeitsschritte unterstützt. Aber auch Handwerksbetriebe oder Planer*innen können von One-Stop-Shops profitieren: Sie sparen Zeit für Beratung und Akquise, wenn sie bereits auf informierte und entschiedene Kund*innen treffen. 

One-Stop-Shop-Konzept: Herausforderungen und Praxistest in Deutschland

Felix Suerkemper, Senior Researcher im Forschungsbereich Energiepolitik am Wuppertal Institut, übernahm innerhalb des Projekts unter anderem die Koordination und wissenschaftliche Begleitung. Er erklärt: „In anderen europäischen Ländern gibt es bereits ambitionierte One-Stop-Shop-Angebote, die erfolgreich am Markt agieren.” Jedoch stellen sich bei einer Übertragung dieser Geschäftsmodelle auf deutsche Gegebenheiten einige Herausforderungen, weiß der Wissenschaftler: “Auf der Angebotsseite ist der Markt mit zahlreichen Handwerksunternehmen unterschiedlicher Gewerke, Architekt*innen und Energieberatenden sehr kleinteilig. Für viele dieser Akteur*innen ist ihre Unabhängigkeit zudem ein hohes Gut. Dank ProRetro konnten wir in den vergangenen Jahren erproben, wie und welche One-Stop-Shop-Angebote auch unter derartigen Rahmenbedingungen möglich sind.“

Die Forschenden des Wuppertal Instituts unterstützten die Arbeit der Umsetzungspartner beispielsweise durch eine Online-Befragung potenzieller Kund*innen und kümmerten sich um die Durchführung von Fokusgruppen mit interessierten Gebäudeeigentümer*innen. Mit dieser Hilfe konnten alle deutschen Durchführungsorganisationen eigene Angebote für Gebäudeeigentümer*innen in den fünf Regionen entwickeln und erproben. Ziel von ProRetro war es, dass sie auf Basis ihrer bisherigen Erfahrungen und bestehenden Netzwerke neue Angebote schaffen.

In den folgenden fünf Städten und Regionen Deutschlands wurden One-Stop-Shops umgesetzt und erprobt:

– In Berlin konzentrierte sich das Angebot des One-Stop-Shops insbesondere auf Wohnungseigentümergemeinschaften. Zu den angebotenen Dienstleistungen zählte die Teilnahme an Eigentümer*innen-Versammlungen, um die Entscheidungsfindung hinsichtlich energetischer Sanierungsmaßnahmen und deren Umsetzung zu unterstützen.

– Auch das One-Stop-Shop-Angebot der Energieagentur Kreis Böblingen wandte sich an Wohnungseigentümergemeinschaften im Landkreis. Sie wurden beim Sanierungsprozess begleitet und unterstützt; zudem wurde eine Datenbank von Handwerksunternehmen im Landkreis aufgebaut, in der sich schneller geeignete Unternehmen für die Umsetzung der gewünschten Maßnahmen finden lassen.

– In Bottrop wurde eine erweiterte Beratung angeboten, die zu verschiedenen Zeitpunkten im Sanierungsprozess in Anspruch genommen werden kann.

– In der Region Hannover entstand der One-Stop-Shop in Kooperation mit dem Netzwerk Modernisierungspartner, in dem sich zahlreiche Anbietende aus dem Feld der energetischen Gebäudesanierung zusammengeschlossen haben und dadurch umfassende energetische Sanierungen umsetzen können.

– Die Raumfabrik aus Wuppertal vereint Handwerksunternehmen verschiedener Gewerke. Dank ProRetro können nun energetische Aspekte in allen ihren Sanierungsvorhaben stärker berücksichtigt werden – auch die Energieberatung ist inzwischen Bestandteil vieler Ersttermine.

Ergebnisse bildeten Grundlage für Politikempfehlungen

Die Projekterfahrungen diskutierten Vertreter*innen aus der Praxis im Rahmen eines Workshops in verschiedenen Arbeitsgruppen. Die erarbeiteten Ergebnisse haben die Forschenden des Wuppertal Instituts in einer ausführlichen Dokumentation zusammengefasst, die auf der Website des Projekts ProRetro zu finden ist. Sie bilden auch die Grundlage für Politikempfehlungen, die zum Abschluss des Projekts veröffentlicht wurden. 

„Das Projekt hat bestätigt: One-Stop-Shops sind entscheidend dafür, die vielfältigen praktischen Hemmnisse zu überwinden, denen Gebäude-Eigentümer*innen und andere Akteursgruppen bei der energetischen Renovierung gegenüberstehen. Daher empfehlen wir der Bundesregierung dringend, die Einrichtung derartiger One-Stop-Shops in Deutschland zu fördern”, sagt Dr. Stefan Thomas, Leiter der Abteilung Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal Institut.

Zu den Empfehlungen an die Politik aus ProRetro zählt unter anderem die Entwicklung eines bundesweit einheitlichen digitalen Tools zu unterstützen, welches die Arbeit von One-Stop-Shops erleichtert. Ein solches digitale Tool könnte beispielsweise die Sammlung von Daten zu den zu sanierenden Gebäude unterstützen, als Online-Marktplatz für Sanierungsvorhaben dienen oder erfolgreich umgesetzte Sanierungen in einer Art Bibliothek von Beispielen guter Praxis präsentieren. Außerdem sollte die Politik ermutigt werden, One-Stop-Shops als geeignetes Instrument zu nutzen, um Förderangebote effektiver zu machen. So können One-Stop-Shops die Antragstellung für die Bürger*innen übernehmen, zugleich aber über ihre Aktivitäten auch die Bekanntheit und Nutzung bestehender Förderangebote verbessern.

Quelle: Wuppertal Institut

0
0
0
s2smodern