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Fachbeitrag: Pauschalmiete – Ein neues Mietmodell für die Wohnungswirtschaft

Die Entwicklung und Kostensenkung dezentraler Energieerzeugung zur Eigenversorgung schreitet stetig voran. Durch die Verwendung dieser Technologien und daraus resultierenden speziellen Eigenschaften energieautarker Gebäude, die sich größtenteils selbst mit Energie aus der Sonne versorgen, ist es möglich, eine Pauschalmiete einzuführen, in der die kompletten Wohnkosten und Teile der Mobilität bereits inkludiert sind.

Der Beitrag ist zuerst in der GI 3/18 erschienen.

1. Steigende Wohnkosten und sinkende Grenzkosten

Die Kosten für Wohnen, also die Kaltmiete, sowie die Nebenkosten für Wärme und Strom sind in den letzten Jahren stark gestiegen und werden voraussichtlich weiter steigen. Von 1995 – 2016 verteuerte sich die durchschnittliche Nettokaltmiete um knapp 32 %. Im selben Zeitraum stiegen die Nebenkosten um fast 45 % [1]. Diese Entwicklung hat mehrere bekannte Ursachen. Eine dieser Ursachen sind stetig steigende gesetzliche Anforderungen an den Gebäudestandard und somit den Endenergieverbrauch von Gebäuden. Erklärtes Ziel ist die Schaffung eines nahezu klimaneutralen Gebäudebestandes bis 2050 [2]. Die EU-Richtlinie 2010/31/EU schreibt ab 2021 europaweit Niedrigstenergiegebäude (NZEB) im Neubau vor. Die Erhöhung der Nebenkosten ist im Wesentlichen im Ausbau und in der Finanzierung der erneuerbaren Stromerzeugung im Rahmen der Energiewende zu finden.
Wiederum sind die Gestehungskosten, gerade für erneuerbaren Strom aus Photovoltaik und Windkraft, in den letzten Jahren dramatisch gesunken. Die Kosten im Bereich der Batterietechnologien zur Zwischenspeicherung von dezentral und erneuerbar erzeugtem Strom sinken ebenfalls spürbar und werden spätestens zwischen 2022 und 2025 die wirtschaftliche Grenze für eine breite Massenanwendung durchbrechen [3].

Diese Entwicklung wird auch durch Innovation im Bereich der Elektromobilität getragen, die als Taktgeber im Segment der Batterietechnologie zu verstehen ist. Die Fahrzeuge der dritten Generation haben Reichweiten größer 500 km, dank Schnellladung kurze Ladezeiten und kostengünstige Batterien. Unterschiedliche Studien und Prognosen sagen voraus, dass 2030 bereits jeder dritte Neuwagen europaweit ein vollelektrisches Fahrzeug sein wird. Der Marktanteil von Verbrennungsmotoren soll von heute 97 % auf 50 % in 2025 und 15 % in 2030 zurückgehen [4]. Der Anteil der Raumwärme und Warmwasser am Endenergieverbrauch von 636 TWh im Jahr 2015 in privaten Haushalten beträgt knapp 69 %. Der Rest entfällt auf den Stromverbrauch [5]. Im Bereich der Wärmeversorgung von Gebäuden spielen ein hoher Anteil erneuerbarer Energien und dezentrale Quartierlösungen zunehmend eine wichtige Rolle. Sie sind wichtiger Bestandteil der bereits genannten Strategie zur Erreichung eines klimaneutralen Gebäudebestandes.

Wichtige Bausteine für eine erfolgreiche Wärmewende sind Sektorkopplung und der Einsatz von solar erzeugter Wärme [6]. Eine besondere Eigenschaft solar erzeugter Wärme und Strom sind die sehr niedrigen Grenzkosten. Die Kosten für die Erzeugung sind zu einem großen Teil bereits mit der Investition abgedeckt. Für Wartung und Betrieb fallen über die Nutzungsdauer der Anlagen im Vergleich zur Investition in der Regel nur geringe Kosten an und der Einkauf von Brennstoff entfällt.

2. Trend zur Eigenversorgung, Vernetzung und Sharing Economy

Niedrige Grenzkosten für den Betrieb solarer Energieerzeugungsanlagen machen die Kosten für die Energieversorgung quantifizierbar und damit auch langfristig planbar. Gleichzeitig sinkt der Energiebedarf der Gebäude, vor allem für die Raumheizung, mit steigender Hüllqualität ab. In Gebäuden mit hohem Baustandard (KfW 55 und besser) übersteigt nach eigenen Erfahrungen der Energiebedarf für Warmwasser heute schon oftmals den der Raumheizung oder bewegt sich zumindest auf demselben Niveau.

Auf Basis dieser Effekte und den sinkenden bzw. planbaren Investitions- und Betriebskosten ist ein starker Trend in Richtung hoher Eigenversorgung oder gar Autarkie in den Bereichen Wärme und/oder Strom zu beobachten. Gerade im Bereich Neubau und bei der Entwicklung von Quartieren mit eigener Energieversorgung auf Basis erneuerbarer Energien oder Kraft-Wärme-Kopplung (KWK), spielen auch die Themen intelligente Vernetzung bzw. Sektorkopplung zur Effizienzsteigerung des Gesamtsystems eine große Rolle.

Einen weiteren Trend stellen Konzepte und Geschäftsmodelle auf Basis der Sharing Economy dar. Gerade für die jüngere Generation steht die reine Dienstleistung statt Besitz immer öfter im Vordergrund, wobei der urbane Raum und Großstädte deutlich die Impulsgeber darstellen. Für dezentral, erneuerbar versorgte Gebäude, insbesondere im Bereich der Vermietung, ist das Modell des Car Sharings auf Basis von Elektromobilität somit von wachsendem Interesse und findet auch bereits Anwendung in der Wohnungswirtschaft [4],[7].

3. Das pauschale Mietmodell

Die Kombination aus niedrigen Energieverbräuchen und einer hohen, bedarfsgerechten Eigenversorgung von Gebäuden bildet die Grundlage für die Erreichung einer hohen Autarkiequote. Dies muss jedoch auf Basis einer eigenen, kalkulatorisch planbaren Energieerzeugung zu niedrigen Grenzkosten geschehen, um langfristig und wirtschaftlich sicher wirtschaften zu können, da der Vermieter mit pauschalen Ansätzen ein höheres Risiko eingeht, was sich im Gegensatz jedoch positiv auf die Attraktivität des Angebots auswirkt.

Im Bereich der pauschalen Wärmeversorgung existiert bereits das Modell der Flatrate. Die Warmmiete kommt vereinzelt bei energetisch hochwertig ausgeführten Gebäuden mit eigener Wärmeversorgung zum Einsatz und es konnten positive Erfahrungen gesammelt werden [8]. Die genannten Voraussetzungen schaffen grundsätzlich die Möglichkeit, ein vereinfachtes und pauschales Mietmodell einzuführen, in dem die Wohnkosten und auf Wunsch Teile der Mobilität in einem Rundum-Sorglos- Paket als Inklusivmiete im Mietzins komplett enthalten sind. Das kalkulatorische Risiko des Vermieters sinkt bei steigender Eigenversorgung, da nur noch eine geringe Menge an Endenergie extern beschafft werden muss und die Energiekosten in der Mietpreiskalkulation kaum mehr ein Faktor sind. Der Vermieter könnte dem Mieter damit eine über fünf bis zehn Jahre stabile und gut vorhersehbare Miete garantieren, die sich beispielsweise zu einem fest vereinbarten Zeitpunkt oder als Indexmiete an dem örtlichen Mietniveau orientiert.

Bild 1 zeigt schematisch das Prinzip der Pauschalmiete. Die unterschiedlichen und teilweise schwankenden Bestandteile der Wohnkosten münden nach einer gründlichen energetischen und wirtschaftlichen Potenzialanalyse in eine gebäudespezifische Pauschale. Im Unterschied zur klassischen Vermietung beinhaltet die „solare Kaltmiete“, und damit die Investitionskosten, schon wesentliche Teile der warmen Nebenkosten sowie große Teile des Eigenstrombedarfs. Die verwendete Solartechnik stellt dabei einen Teil der Kostengruppe 400 nach DIN 276 dar. Aus energetischer Sicht fallen lediglich die Kosten für die zugekauften Mengen an Wärme und Strom an. Das Modell kann individuell und flexibel im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten gestaltet werden. Zum Beispiel können lokale Energieversorger für den Anlagenbetrieb mit einbezogen werden oder manche Nebenkostenbestandteile aufgrund regionaler oder kundenspezifischer Besonderheiten außen vor gelassen werden.

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Bild 1: Das Prinzip der Pauschalmiete – Mieten und Wohnen vereinfachen. (Quelle: Freiberg Institut für vernetzte Energieautarkie GmbH)

4. Pauschalmiete auf Basis energieautarker Gebäude

Im Bereich der hohen Eigenversorgung für Gebäude existieren unterschiedliche Technologie- und Energiekonzepte. Eine Möglichkeit stellt die sogenannte vernetzte Energieautarkie auf Basis des „Sonnenhaus autark Standards" des Sonnenhaus Instituts (SHI) dar [9]. Bei diesem Gebäudestandard erfolgt die Energieversorgung für Wärme und Strom zu mehr als 50 % aus der Sonne. Dabei kommen eine große Solarthermieanlage mit Langzeitwärmespeicher oder Bauteilaktivierung für die primäre Wärmeversorgung und eine Photovoltaikanlage mit Batteriespeicher zur Stromversorgung zum Einsatz. Bild 2 stellt das Prinzip eines solchen vernetzten, energieautarken Mehrfamilienhauses im Quartier dar. Das Konzept der energieautarken Gebäude wurde zunächst im Einfamilienhausmaßstab realisiert. Dafür wurden zwei Gebäude in Freiberg errichtet und langjährig durch ein wissenschaftliches Monitoring der TU Bergakademie Freiberg begleitet [10]. Die Ergebnisse bestätigen die vorab erstellten Prognosen. Auf Basis dieser Erfahrungen wurde das Konzept in den Mehrfamilienhausbereich übertragen.

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Bild 2: Prinzip der vernetzten Energieautarkie auf Basis des SHI-Standards autark. (Quelle: Timo Leukefeld)

Die besonderen energetischen und technischen Eigenschaften dieses Gebäudekonzeptes erlauben es, auf eine Betriebskostenabrechnung zu verzichten. Weiterhin kann der eigenerzeugte Strom den Mietern kostengünstiger, beispielsweise in Form von Mieterstrom und eventuelle Überschüsse den Nachbargebäuden oder der Elektromobilität zur Verfügung gestellt werden. Bei der projektspezifischen Ausgestaltung der Pauschalmiete sind technische und energierechtliche Details zu beachten.

5. Aktuelle Projekte und Arbeiten

Deutschlandweit sind mehrere energieautarke Mehrfamilienhäuser und Quartiere mit Pauschalmiete in Planung. Aktuell gibt es zwei Pilotprojekte – zwei Mehrfamilienhäuser der eG Wohnen 1902 in Cottbus [11] und ein Mehrfamilienhaus der Wilhelmshavener Spar- und Baugesellschaft eG [12]. Beide Gebäude werden 2018 fertiggestellt. Bild 3 zeigt den Baufortschritt der beiden Gebäude im KfW 55-Standard mit monolithischer Ziegelwand vom 04.01.2018.

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Bild 3: Baufortschritt der beiden energieautarken Mehrfamilienhäuser der eG Wohnen 1902 vom 04.01.2018. (Quelle: www.cottbus-sonne.de)

Die solaren Flächen auf dem 50° Schrägdach in südlicher Ausrichtung sind gut zu erkennen. Ein Haus besitzt jeweils sieben Wohneinheiten. Der solare Deckungsgrad für Wärme liegt zwischen 54 – 65 % und für Strom zwischen 70 – 77 %. Die Gebäude werden vernetzt, um Überschüsse an Wärme und Strom im Quartier zu verwerten. Weiterhin werden zwei Ladesäulen für die Nutzung von Elektromobilität bereitgestellt. Die Pauschalmiete der Wohnungen in Cottbus beträgt 11,50 EUR/m2 pro Monat. Weitere Kosten für den Mieter fallen nicht an. Die eG Wohnen garantiert eine stabile Miete für fünf Jahre.

Die beiden Häuser werden im Rahmen eines intensiven Monitorings durch den Lehrstuhl Technische Thermodynamik der TU Bergakademie Freiberg und das Freiberg Institut für vernetzte Energieautarkie begleitet. Neben den energetischen Kennzahlen werden auch soziologische Aspekte, wie das Verbrauchsverhalten und die Wohnqualität, untersucht. Bild 4 stellt das Wilhelmshavener Mehrfamilienhaus mit sechs Wohneinheiten mit je 90 m2 Wohnfläche schematisch dar. Das Gebäude wird mit einem WDVS im KfW 40-Standard errichtet und ist Ende 2018 bezugsfertig. Der solare Deckungsgrad für Wärme und Strom liegt bei diesem Gebäude bei ungefähr 70 %. Zur Höhe der Pauschalmiete kann zum Zeitpunkt der Erstellung des Artikels noch keine Aussage getroffen werden. Auch bei diesem Gebäude werden den Mietern auf dem eigenen Parkplatz zwei Ladesäulen zur Verfügung gestellt. Die energetischen Kennzahlen werden ebenfalls in einem Monitoring überprüft.

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