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Netzausbau, Energiewende

Auch eine dezentrale Stromerzeugung kommt nicht ohne die bis 2030 geplanten rund 4.000 Kilometer neuen Stromtrassen aus. Das ist das Ergebnis einer  Studie, die das Öko-Institut im Auftrag der Renewables Grid Initiative (RGI) erstellt hat.

Die Studie „Dezentralität, Regionalisierung und Stromnetze – Studie über Annahmen, Narrative und Erkenntnisse“ greift damit ein heiß diskutiertes Thema auf: Insbesondere von neuen Leitungen betroffene Anwohner fragen sich, ob der Netzausbau mit einem dezentraleren Stromsystem, mehr Windkraft in Süddeutschland sowie Speichern nicht deutlich geringer ausfallen könnte.

Studienergebnisse

Um dies zu beantworten, hat das Öko-Institut zehn Studien analysiert und verglichen, die im Laufe der vergangenen fünf Jahre zu Dezentralitätskonzepten und den Folgen dezentraler Stromsysteme für den Netzausbau veröffentlicht wurden.

Der bis 2030 geplante Netzausbau ist demnach selbst dann notwendig, wenn alle Speicher und Flexibilitätsoptionen zur Verfügung stehen. Da die Potenziale für die Erzeugung von Wind- und Solarstrom über Deutschland hinweg ungleich verteilt sind und in der Nähe der großen Verbrauchszentren oft nicht ausreichen, ist eine jederzeit verbrauchsnahe Stromversorgung auf der Grundlage erneuerbarer Energien nicht vorstellbar. Dies gilt umso mehr, wenn nicht allein technische Möglichkeiten, sondern auch einschränkende Aspekte wie Naturschutz und Akzeptanz zum Beispiel von Windkraftanlagen in der Nähe von Siedlungen berücksichtigt werden.

Die untersuchten Studien, die einen geringeren Netzausbaubedarf errechnen, gehen vor allem von einem starken Ausbau der Windenergie im Süden Deutschlands aus; so werden im Vergleich zu derzeitigen Planungen zum Beispiel zwei- bis viermal höhere Ausbauzahlen für Bayern und Baden-Württemberg verwendet. Diese Annahmen hätten gravierende Folgen: neben einem höheren Flächenbedarf wäre von einem geringeren Wirkungsgrad der Windanlagen, höheren Kosten und – wegen der gasbasierten ergänzenden Kraftwerke – gegebenenfalls auch höheren Treibhausgasemissionen auszugehen. Für einen sachgerechten Vergleich müssten diese Folgen denen des geplanten Leitungsausbaus gegenübergestellt werden. Viele der betrachteten Studien berücksichtigen diese Aspekte jedoch allenfalls am Rande.

Netzausbau: Die Frage ist nicht ob, sondern wann und wie

Schließlich zeigt ein Vergleich der Studienergebnisse zu den längerfristigen Entwicklungen und mit Blick auf höhere Versorgungsanteile erneuerbarer Energien, dass der aktuell geplante Leitungsausbau in jedem Fall notwendig wird. Die verbleibenden Unterschiede beziehen sich damit ganz überwiegend nicht auf das Ob, sondern das Wann und Wie des Leitungsausbaubedarfs. Insbesondere für die Zeit nach 2030 bedarf es jedoch guter vergleichbarer Studien, die prüfen, inwiefern immer günstigere erneuerbare Energien und vor allem Speicher den zusätzlichen Neubaubedarf von Stromnetzen mindern könnten.

"Die Studie bringt Gewissheit, dass derzeit geplante Übertragungsnetze für die Energiewende unabdingbar sind. Gleichzeitig werden aber deutliche Wissenslücken aufgezeigt. Wir brauchen ein größeres Spektrum an Analysen zu vorstellbaren Entwicklungen des deutschen und europäischen Stromsystems mit allen damit verbundenen Folgen für Flächenbedarf, Kosten, Treibhausgasemissionen und Netzausbau. Nur so werden wir mehr Klarheit in die Debatte bringen ob Dezentralität langfristig einen weiteren Netzausbaubedarf verringern könnte", sagt Antonella Battaglini, Geschäftsführerin der Renewables Grid Initiative.

Auch Dr. Felix Matthes, Forschungskoordinator Energie- und Klimapolitik des Öko-Instituts und Autor der Studie, bestätigt: "Dezentralität ist ein wichtiges Thema für ein klimafreundliches Stromsystem. Aber in der Diskussion um Dezentralität und Stromnetzausbau werden wichtige Aspekte wie die begrenzten Flächenpotenziale und die Gesamtkosten zu oft außen vor gelassen. Gerade bei den Analysen zu den hinreichend sicher erreichbaren regionalen Ausbaupotenzialen für Wind- und Sonnenenergie besteht noch ein großer und vor allem kurzfristiger Klärungsbedarf".

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