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Energiewende

Deutschland wird seine Klimaschutzziele 2020 deutlich verfehlen. Dabei liegen Lösungen für einen effizienten und kostengünstigen Klimaschutz im Wohnungsbereich längst auf dem Tisch, meint der BBU Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. und macht fünf Vorschläge für eine Neuausrichtung der Energiewende.

Studie: Eine Wende für die Energiewende

Laut BBU wäre es schon heute – gäbe es die richtigen Rahmenbedingungen – rein technisch möglich, den Gebäudebestand nahezu CO2-frei und seine Energieversorgung deutlich günstiger zu machen – und dabei gleichzeitig bei den Kosten für Modernisierungen oder Neubau deutlich zu sparen. "Wir könnten bei der Energiewende im Gebäudebereich heute schon um einiges weiter sein. Die Logik der deutschen Energie- und Klimaschutzpolitik lässt das aber heute nicht zu", sagt Maren Kern Vorstand beim BBU. Die Wohnungswirtschaft appelliert deshalb an die Politik, das derzeit verhandelte Gebäude-Energiegesetz (GEG) für eine gründliche Neuausrichtung der Energiewende zu nutzen und hat dafür folgende Eckpunkte formuliert:

  • CO2-Einsparung als Effizienzmaßstab: Die CO2-Einsparung, nicht mehr die (theoretische) Energieeffizienz, muss zum Schrittmacher der Energiewende werden
  • Technologieoffenheit: Ermöglichung des Wettbewerbs um die jeweils besten (= effizientesten und nachhaltigsten) Lösungen bei Neubau und Modernisierung
  • Fokus Erneuerbare: Konsequente Dekarbonisierung der Energieversorgung durch ihre Umstellung auf erneuerbare Energien – zum Nutzen für die Wohnungswirtschaft sowie für die Mieter
  • Monitoring: Transparente bundeseinheitliche Monitoring-Standards als Grundlage einer wissenschaftlichen Begleitung der Energiewende
  • Ganzheitlichkeit: Schluss mit der gebäude- oder sektorweisen Betrachtung der Energiewende

Zur Untermauerung dieser Positionen hat der BBU die Studie „Energiewende – Irrtümer aufbrechen, Wege aufzeigen“ in Auftrag gegeben. Die Energiewende bedeutet enorme Belastungen für die Wohnungsunternehmen und ihre Mieter, ohne allerdings zu den angestrebten Klimaschutzerfolgen zu führen. Ansatzpunkte für eine Neuausrichtung zeigt die im Auftrag des BBU erstellte Studie auf.

Energiewende: Teuer, aber ineffizient

Die Vorgaben der Energiewende haben allein in den letzten Jahren bei Modernisierungen und Neubauten zu Baukostensteigerungen um ca.16 Prozent geführt – zusätzlich zu den nachfragebedingt ohnehin schon steigenden Baupreisen.  "Da die Baukosten refinanziert werden müssen, schlagen sich steigende Baukosten natürlich auch in steigenden Mieten nieder" , so Kern.  Hinzu komme – "im Wesentlichen ebenfalls als eine Folge der Energiewende" – auch noch eine drastische Verteuerung der Strompreise. Seit 2010 stiegen sie in Berlin um rund 40 Prozent und damit viermal so schnell wie die Preise insgesamt. Kern: "Solche Steigerungen der Wohnkosten belasten vor allem untere Einkommensschichten besonders. Die Energiewende hat deshalb eine erhebliche soziale Unwucht, die jetzt dringend korrigiert werden muss." Angesichts der großen Lasten, die die Energiewende gerade auch für die Wohnkosten bedeute, seien diese unbefriedigenden Ergebnisse besonders bitter, so BBU-Vorstand Kern.

Die Wurzel des Problems: Energie- statt CO2-Sparen

Als Ursachen für die angesichts ihrer hohen Kosten für Verbraucher bislang unbefriedigenden Ergebnisse der Energiewende identifiziert die Studie für den Gebäudebereich mehrere Faktoren. Dreh- und Angelpunkt dabei:
Dass nicht die Reduzierung von CO2-Emissionen der Maßstab für die Bewertung der Effizienz vorgeschriebener Maßnahmen ist, sondern der – in der Praxis eher fiktive – Primärenergiebedarf einer Wohnung. "Diese Fixierung auf einen theoretischen Wert ist das Korsett, das die Energiewende einengt und ihr buchstäblich die Luft zum Atmen nimmt", unterstreicht Kern. Deshalb werde die Wohnungswirtschaft gezwungen, mit enormem Ressourcen- und Geldaufwand in vielfach wenig effektive Maßnahmen zu investieren.

Einige Beispiele, warum die Energiewende scheitert:

  • Fokussierung auf Dämmung: „Viel hilft viel“ – diese Logik geht bei der Dämmung nicht auf. Ab einer Dämmdicke von acht Zentimetern führt jeder weitere Zentimeter Materialaufwand nur noch zu einer exponentiell abnehmenden Einsparung beim Heizwärmebedarf, während der Kosten-, Ressourcen- und Primärenergieaufwand des Materials linear zunimmt. Die Folge sind explodierende Baukosten bei allenfalls noch minimalen Einsparergebnissen. Trotzdem ist die Dämmdicke nach wie vor die wesentliche Stellgröße innerhalb der deutschen Fördersystematik.
  • Fokussierung auf das einzelne Gebäude: Für die deutsche Energiewende ist das Einzelgebäude das Maß aller Dinge – obwohl seine isolierte Betrachtung die enormen CO2-Einsparhebel, die beispielsweise auch bei der Energie- und Wärmeübertragung oder in der Vernetzung von Gebäuden innerhalb eines Quartiers liegen, völlig unberücksichtigt lässt. „Durch diese begrenzte Sichtweise muss die Energiewende sozusagen für jedes Gebäude jeweils neu gedacht und implementiert werden“, kritisiert Kern. Das sei nicht effizient.
  • Keine Berücksichtigung des Verbraucherverhaltens: Durch die Konzentration auf das einzelne Gebäude und seinen theoretischen Primärenergiebedarf wird das Verbraucherverhalten ausgeblendet – und damit auch, dass in einem auf maximale Energieeinsparung ausgelegtem Bau schon das Öffnen eines Fensters gravierend negative Folgen für die Energiebilanz haben kann. Kern: „Wo die Theorie so leicht durch die alltägliche Wohnpraxis eingeholt wird, kann selbst die ausgefeilteste und teuerste technische Energiesparlösung schnell ad absurdum geführt werden.“
  • Keine Berücksichtigung von Lebenszyklen: Problematisch sei auch, dass die Energiewende im Gebäudebereich derzeit weder bei der Dämmung noch bei den technischen Lösungen Platz für das Denken in Lebenszyklen lasse. „Was aber passiert mit Dämmmaterialien, wenn sie in Folge einer notwendigen weiteren Modernisierung durch eine immer dickere Dämmung ersetzt werden müssen? Mit Ausbau und Entsorgung sind in der Regel hoher Aufwand und entsprechende Kosten verbunden“, verdeutlicht Kern.
  • Keine Berücksichtigung von „Grauer Energie“: Eine weitere Schwachstelle der Energiewende ist derzeit auch, dass sie der sogenannten „Grauen Energie“ im Zusammenhang von Neubau oder Modernisierungen keine Beachtung schenkt. Kern: „Sowohl bei der Produktion als auch beim Transport von immer mehr und immer aufwändigeren Baumaterialien entstehen aber Kosten, werden Energie und Ressourcen verbraucht und fallen CO2-Emissionen an, die sich natürlich in erheblichem Maße volkswirtschaftlich auswirken.“
  • Aufgrund der Verengung auf den Aspekt vermeintlicher Energieeinsparung auf der Basis einzelner Gebäude führt die derzeitige Fördersystematik paradoxerweise dazu, dass sie sogar CO2-Emissionen sowie Energie- und Ressourcenverschwendung fördert, statt zu reduzieren. Kern: „Hier hat der aufgezwungene Dämmwahn seine volle Wirkung zu Lasten von Umwelt und Mieterhaushalten geleistet.“

Neuausrichtung der Energiewende: Vorschläge des BBU

  • CO2-Einsparung als Effizienzmaßstab: Fokussierung auf Ergebnisse (= CO2-Minderung) statt auf Instrumente. Statt Energiekennwerte sollten deshalb CO2-Emissionen zu Zielwerten der Energiewende in der Wohnungswirtschaft gemacht werden. Wesentlicher Maßstab sowohl in den gesetzlichen Grundlagen der Energiewende als auch für die gesamte Fördersystematik muss sein, wie viel CO2 durch die jeweiligen Maßnahmen eingespart wird. Dabei müssen auch Lebenszyklus- und Nachhaltigkeitsbetrachtungen eine zentrale Rolle spielen. Wichtig ist dabei auch die Berücksichtigung der Gesamteffizienz (= Maßnahmen im Quartier statt nur an Einzelgebäuden).
  • Technologieoffenheit: Um die Energiewende effektiv und bezahlbar zu machen, muss bei jedem Neubau- oder Modernisierungsprojekt der Wettbewerb um die jeweils beste Lösung möglich sein. Auch hier muss gelten: Erster Maßstab zur Bewertung des Nutzens und der Förderfähigkeit von Maßnahmen ist die Menge des damit langfristig eingesparten CO2.
  • Fokus Erneuerbare: Die direkt am Gebäude „gratis“ zur Verfügung stehende Umweltenergie – z.B. in Form von Sonne, Erdwärme, Umweltwärme, Abwärme oder Wind – ist immens. Sie ist ein wesentlicher Schlüssel sowohl zum Gelingen der Energiewende als auch für günstige Heiz- und Energiekosten und muss daher noch wesentlich stärker als bisher genutzt werden können – auch durch Lösung der derzeit noch bestehenden Steuerungs- und Speicherprobleme. Darüber hinaus müsste auch das Energiewirtschaftsrecht an die Bedürfnisse der Wohnungswirtschaft angepasst werden, um die in der dezentralen Energieerzeugung und -verteilung schlummernden CO2-Einsparungspotenziale zu erschließen. Ökologisch und ökonomisch höchst sinnvolle Konzepte werden nach wie vor durch einen für den Gebäudesektor ungünstigen Gesetzesdschungel be- und verhindert.
  • Monitoring: Eine transparente und wissenschaftliche Auswertung der Verbrauchswerte im Gebäudebereich ist sinnvoll, um die Stellschrauben der Energiewende evaluieren zu können. Hierfür sind sowohl bundeseinheitliche Monitoring-Standards als auch eine entsprechende Anpassung der Heizkostenverordnung notwendig.
  • Ganzheitlichkeit:
    • Betrachtung der gesamten Volkswirtschaft mit Ursache-Wirkungs-Ketten – keine Verschiebung von Einsparungslasten von einem Sektor in den anderen (wie z.B. durch die derzeitige Bevorzugung ausgerechnet von energieintensiven Industrien)
    • Berücksichtigung der Kostenfolgen von Vorschriften auf das Wohnen (sowohl in Form der Kosten für bauliche Maßnahmen, als auch auf den Flächenverbrauch, als auch z.B. von Kosten für die Energieversorgung)
    • Echte Kopplung von Wirtschafts- und Energiesektoren (z.B. Gewerbe, Wohnen, Energieerzeugung [Wärme und Strom], Verkehr,…) statt Festlegung von separaten, miteinander nicht in Wechselwirkung stehenden Einzelzielen je Sektoren (z.B. könnten durch sparsamere Dämmungen im Wohnungsbereich sowohl in Industrie als auch Verkehr erhebliche Energie-, Ressourcen- und CO2-Einsparungen erzielt werden).
    • Berücksichtigung auch von „Grauer Energie“ (= Ressourcen- und Energieaufwand zur Herstellung z.B. von Dämmung) in die Gesamt-Effizienzbetrachtungen (fei)
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