Der Gebäudebestand soll nach dem Willen der Bundesregierung bis 2050 klimaneutral werden. Wie Gebäudeeigentümern die Umstellung auf eine kohlendioxidfreie Wärmeversorgung gelingen kann, zeigt nun ein Positionspapier von Experten der KEA Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg sowie sieben Forschungsinstituten und Hochschulen.
Eine Heizungsanlage ist mehr als nur ein Heizkessel
In dem Papier geben die unabhängigen Fachleute grundlegende Empfehlungen für zukunftsfähige Heizungsanlagen. Das 18-seitige Positionspapier „Grundlegende Empfehlungen für Sanierung und Erneuerung von Heizungsanlagen" ist im März 2019 erschienen. Zielgruppen sind:
- Gebäudeeigentümer
- Investoren
- Installateure
- Energieberater
Die acht Autoren des Positionspapiers betonen zu Beginn, dass eine Heizungsanlage mehr ist als nur ein Heizkessel. Die Effizienz der Gesamtanlage hängt auch von der Art und Betriebsweise des Heizungssystems sowie der Trinkwassererwärmung ab. Hauseigentümer sollten deshalb bei einer energetischen Sanierung auf einen hydraulischen Abgleich, die Anlagenregelung, effiziente Heizungspumpen und passende Heizflächen achten. Auch eine Dämmung von Armaturen und Rohrleitungen ist wichtig. Das bringt wesentliche Effizienzverbesserungen, die höher sein können als die eines neuen Wärmeerzeugers. Umgekehrt gilt dies auch: „Fehler bei der Heizungsregelung können den Energieverbrauch und die Klimabelastung der Heizung im Extremfall verdoppeln“, sagt Dr. Volker Kienzlen, der Initiator des Papiers.
Dekarbonisierung
Eine zentrale Herausforderung ist das Ziel, die Wärmeversorgung bis zum Jahr 2050 zu dekarbonisieren. Die Autoren zeigen Stärken und Schwächen der einzelnen Heizungstechniken auf. Der derzeitige Standard der Heiztechnik, fossil betriebene Brennwertkessel, erhält im Blick auf die Zukunft schlechte Noten. Die Experten weisen darauf hin, dass mit der Nutzung von Öl oder Erdgas eine Dekarbonisierung der Wärmeversorgung kaum erreichbar ist. „Fossil betriebene Heizkessel sollten nach 2025, spätestens nach 2030 nicht mehr eingebaut werden und stellen somit maximal noch eine Brückentechnologie dar“, so Kienzlen.
Alternativen zu fossil betriebenen Heizkesseln ab 2025
Wärmenetze
Eine Heiztechnik mit einer besseren Klimabilanz sind Wärmenetze. Sie sind offen für die Nutzung erneuerbarer Energien und Abwärme und können mit Blockheizkraftwerken die fossilen Energieträger besonders effizient nutzen. Liegt ein Wärmenetz bereits in der Straße, so ist der Anschluss daran oft die wirtschaftlichste Option. Besonders für verdichtete, innerstädtische Quartiere sind Wärmenetze ein wichtiges Infrastrukturelement, das die Dekarbonisierung erleichtert.
Holzpellets-, Holzhackschnitzel- und Scheitholzkessel
Eine weitere Option sind Holzpellets-, Holzhackschnitzel- und Scheitholzkessel: Die Verbrennung von Holz ist bei nachhaltiger und regionaler Holzwirtschaft nahezu CO2-neutral. Holz ist damit ein Bestandteil der Dekarbonisierung der Wärmeerzeugung. Zu betonen sei jedoch, so die Autoren, dass die verfügbaren Potenziale fester Biomasse nicht ausreichen, um den Wärmebedarf des gesamten Gebäudebestandes in Deutschland zu decken. Auch der Anbau oder der Import von Biomasse zur ausschließlichen Verbrennung sei kritisch zu bewerten.
Solarthermie
Besser sieht es bei der Solarthermie aus: Sie ist neben Umweltwärme für Wärmepumpen und Photovoltaik die einzige erneuerbare Energieform, die unmittelbar auf dem jeweiligen Grundstück in sinnvoller Menge genutzt werden kann. Grundsätzlich sollte bei Gebäuden jede energetisch sinnvoll nutzbare Dachfläche zur Energieerzeugung vor Ort herangezogen werden. Eine solarthermische Anlage als ergänzendes System ist vor allem bei einem größeren Warmwasserbedarf sinnvoll.
Elektro-Wärmepumpen
Im Zuge des Ökostromausbaus erwarten die Autoren eine wachsende Bedeutung von Elektro-Wärmepumpen. Wind- und Solaranlagen führen dazu, dass die Treibhausgas-Emissionen pro Kilowattstunde erzeugtem Strom immer weiter sinken, was für einen verstärkten Einsatz zu Heizzwecken spricht. Inzwischen erlaubt die technische Entwicklung auch den Einbau in ordentlich sanierten Bestandsgebäuden.
Erneuerbar hergestellte Gase aus Power-to-Gas in KWK
Die Autoren des Papiers weisen auch auf die zunehmende Bedeutung erneuerbar hergestellter Gase aus Power-to-Gas-Verfahren hin. Sie sollten aber bevorzugt in Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen verwendet werden. Zwar ist der Wirkungsgrad von 50 bis 70 Prozent nur mäßig, das Verfahren kann jedoch sonst nicht nutzbaren Ökostrommengen verwerten. Ob und wann derartige Sekundärenergieträger in großem Umfang zu vertretbaren Preisen verfügbar sein werden, ist derzeit jedoch noch nicht absehbar. Biomethan betrachten die Autoren skeptisch: Es weist immer noch rund die Hälfte der Emissionen von fossilem Erdgas auf. Ein Ausstoß, der mit dem Dekarbonisierungsziel der Bundesregierung kaum vereinbar ist.
Fazit der Autoren
Für die Erneuerung oder Sanierung einer Heizungsanlage im Gebäudebestand lässt sich keine einfache und für alle Fälle passende Antwort geben. Es sollte stets im Spannungsfeld zwischen technischen und baulichen Möglichkeiten, wirtschaftlicher Machbarkeit sowie den Erfordernissen des Klimaschutzes entschieden werden. Ist eine Gesamtlösung in einem Schritt nicht möglich, können Gebäudeeigentümer mit Energieberatern einen Sanierungsfahrplan erstellen, der dann mittel- und langfristig umgesetzt wird. Diesen Rat unterstützt auch Frank Hettler von Zukunft Altbau, dem vom Umweltministerium Baden-Württemberg geförderten Informationsprogramm. „Ein Sanierungsfahrplan beinhaltet übersichtlich gestaltete Vorschläge, wie Einzelmaßnahmen planvoll miteinander verknüpft und welche Vorhaben in welcher zeitlichen Reihenfolge umgesetzt werden können.“
Kostenentwicklung der Heizsysteme
Über die Kostenentwicklung der unterschiedlichen Heizsysteme haben die Experten in ihrem Positionspapier keine Angaben gemacht. Zu unabsehbar seien die Entwicklung der Energiepreise und diverser Randbedingungen. Nicht vergessen werden sollte laut Positionspapier auch die Grundbedingung für niedrige und klimafreundliche Energieverbräuche: Die energetische Sanierung der Gebäudehülle. (fei)